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Walled Orchard 01: Der Ziegenchor

Walled Orchard 01: Der Ziegenchor

Titel: Walled Orchard 01: Der Ziegenchor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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postiert, um sicherzustellen, daß niemand hereinkommen konnte. Aber einigen Leuten gelang es, sich durch die Kontrollen zu mogeln, indem sie vorgaben, sie kämen als Boten von Nikias, um die Öllampen zu zählen, oder seien sogar geladene Gäste des Autors der Komödie. Zudem war allgemein bekannt, daß andere Bühnendichter ihre Spione im Chor hatten, und man darüber hinaus nichts dagegen unternehmen konnte, daß Schauspieler ganze Reden verkauften. Ich bin fest davon überzeugt, sie taten das mehr aus Haß gegen Philonides als um des Geldes willen; aber was auch immer der Grund war, schon bald merkte ich, daß meine Konkurrenten und insbesondere Aristophanes ein außergewöhnliches Interesse an der Inszenierung an den Tag legten.
    Alle Stückeschreiber geben ihr Bestes, um die Arbeit ihrer Konkurrenten zu sabotieren. Wenn man will, könnte man dieses Vorgehen als Zeichen des Respekts bezeichnen, und ich bin diesbezüglich auch nicht besser. Selbst der große Aischylos versuchte immer, die Schauspieler eines Konkurrenten am Tag der Aufführung betrunken zu machen. Zudem kennt ein jeder die Geschichte, wie Euripides den Schauspieler Gnatho entführte, als jener hinter den Kulissen in Agathons Perseus auf sein Stichwort wartete, und wie er dennoch entkam, indem er sich durch ein Loch in den Bodenbrettern von Euripides’ Haus schlängelte, in seinen Tragödienstiefeln durch die Straßen zurücklief und noch rechtzeitig auf sein Stichwort hin auftrat, als wäre nichts geschehen. Aber irgendwie hatte ich 286
    im Verlauf der Proben für den Heerführer begriffen, daß mir dergleichen nie passieren würde. Natürlich wurde Philonides mit den meisten Versuchen, das Stück zu sprengen, mit Leichtigkeit fertig und schlug dann mit der ganzen für ihn charakteristischen Grausamkeit zurück.
    Philonides war es, der den Überfall auf den Dichter Phrynichos befahl, was diesem ein gebrochenes Schlüsselbein einbrachte, und einen unserer Schauspieler hätte er beinahe eigenhändig umgebracht, als dieser versuchte, Kostüme anzuzünden. Aber davon erzählte er mir damals selbstverständlich nichts, und was ich von anderen Leuten über ihn hörte, tat ich als dummes Geschwätz ab.
    Der Verdacht, daß irgend etwas nicht stimmte, hätte mir allerdings spätestens kommen müssen, als Phaidra eine Art Verwandlung durchzumachen schien. Zuerst war es nicht mehr als ein Lächeln statt eines wütenden Blicks, wenn ich abends nach Hause kam, und ich war wahrscheinlich zu gedankenverloren, um es zu bemerken. Aber dann verschwand die Statue Klytaimnestras, und an ihrer Stelle befand sich ein praller Lederbeutel voller Silbermünzen; schließlich wüßte sie, wie sehr ich die Statue gehaßt hätte, erzählte sie mir, und Philanders Frau habe sie doch so gut gefallen… Etwa zur gleichen Zeit hatte der Hausaffe einen rätselhaften Unfall, und Phaidra redete ganz ernsthaft davon, mit mir nach Pallene zu kommen, da sie sich tief im Herzen auf dem Land mehr zu Hause fühle. Außerdem bekräftigte sie mit Entschiedenheit, ich könne mit dem Aufsetzen des Testaments so lange warten, wie ich wolle.
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    Jung und töricht, wie ich war, erklärte ich mir das alles rational einfach als eine weitere Komponente meines Glücks, das zu jener Zeit anscheinend nicht aufzuhalten war. Zudem ging Phaidra nach dem Prinzip ›die Klügere gibt nach‹ vor, oder vielleicht war auch nur die Anstrengung zuviel für sie; jedenfalls fochten wir zwar nach wie vor ohne ersichtlichen Grund atemberaubende Zweikämpfe miteinander aus, nur sehr viel seltener. Ich für meinen Teil bekam dabei insgeheim immer mehr das Gefühl, daß es besser sei, diesen Kleinkrieg endlich ganz zu beenden. Für mich wurde es von Tag zu Tag schwerer, die notwendige Portion Haß gegen sie aufzubringen, und im Innern fürchtete ich bereits, daß unsere Auseinandersetzungen in Zukunft ein wenig einseitig werden könnten.
    Dann fragte sie mich immer häufiger, wie wir mit dem Stück vorankämen. Das schockierte mich wirklich, denn wenn sie sich früher einmal dazu herabgelassen hatte, das Stück zu erwähnen, war ihr der Titel jedesmal so über die Lippen gekommen, als wäre er eine schlechte Olive.
    Zunächst handelte es sich dabei nur um ein gelegentliches, leicht spöttisches Nachfragen, so wie man ein kleines Kind nach dem Befinden seines Lieblingswurms fragt oder ob es noch mehr von diesen kleinen Fröschen aus Schlamm und Granatapfelschale gemacht habe. Doch dann wollte sie etwas über die

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