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Walled Orchard 02: Der Garten hinter der Mauer

Walled Orchard 02: Der Garten hinter der Mauer

Titel: Walled Orchard 02: Der Garten hinter der Mauer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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bin, der selten über Witze und praktisch nie über die eigenen lacht, kringelte ich mich innerlich vor Lachen. Dieser Augenblick war sozusagen die Pointe meines Lebens, und ich hatte sie nach besten Kräften zu Gehör gebracht. Falls die Zuhörer den Witz nicht verstanden hatten, dann war das allein ihrer eigenen Dummheit zuzuschreiben.
    Inzwischen waren alle Stimmen abgegeben, und die Auszähler hatten einiges zu tun. Sie zählten, und dann zählten sie noch einmal nach, und schließlich hielten sie Rücksprache mit dem Archon, der ihnen auftrug, die Stimmen ein drittes Mal auszuzählen. Und jetzt prustete ich laut los, da sich offensichtlich die unsterblichen Götter an meinem Witz beteiligten und ihm eine ganz persönliche Note hinzufügten, um ihn unübertroffen komisch zu machen. Schließlich war der Archon zufrieden und nickte dem Gerichtsdiener zu, der sich räusperte und sich vom Platz erhob.
    »Die Auszählung der abgegebenen Stimmen ergibt folgendes Resultat«, verkündete er. »Auf ›schuldig‹ entfielen zweihundertundfünfzig Stimmen, auf ›nicht schuldig‹ zweihundertundeinundfünfzig Stimmen. Der Angeklagte ist somit freigesprochen.«
    Für einen Augenblick herrschte verblüfftes Schweigen; dann erhob sich ein derartiges Geschnatter, wie man es nur nach einem schweren Unfall zu hören bekommt oder wenn jemand irgendwen auf der Straße umgebracht hat. Ich für meinen Teil nickte den Geschworenen zu, sagte: »Recht herzlichen Dank«, und ging völlig überwältigt aus dem Gerichtssaal hinaus. Doch als ich schon fast das Portal erreicht hatte, stand eine vertraute Gestalt auf und versperrte mir den Weg. Für einen kurzen Augenblick geriet ich in Panik und sah mich nach einem Fluchtweg um, doch meine innere Stimme ermahnte mich, nicht albern zu sein, also blieb ich stehen und blickte dem Mann direkt in die Augen. Es handelte sich um den Redenschreiber Python, um genau den Mann also, der mir angeboten hatte, eine Rede für mich zu verfassen.
    »Eupolis, Sohn des Euchoros«, sprach er mich mit lauter Stimme an. »Hiermit fordere ich dich im Beisein von Zeugen auf, noch in dieser Verhandlung Rechenschaft über den Betrag von fünf Drachmen zuzüglich zwei Obolen Zinsen zum üblichen Satz abzulegen, den Preis also, für den du meinen fachlichen Rat in Anspruch genommen hast und den du versäumt hast, in angemessener Frist zu bezahlen. Begleichst du diese billige Forderung zuzüglich der vorerwähnten Zinsen nicht innerhalb von fünf Tagen von heute an, fordere ich dich auf, dich binnen Monatsfrist vor dem Schuldengericht zu verantworten. Als Zeugen dafür, daß diese Vorladung wirklich zugestellt worden ist, benenne ich Strephokles, Sohn des Xenokles, sowie Pythias, Sohn des Konon, beide aus dem Demos von Cholleidai.«
    Ich lieh mir von jemandem die fünf Drachmen und zwei Obolen und bezahlte Python; dann brach ich in hysterisches Lachen aus und mußte nach Hause gebracht werden.

14. KAPITEL
     
    Falls Sie sich so weit zurückerinnern können, entsinnen Sie sich vielleicht noch, daß dieses Buch die Geschichte meiner Zeit sein sollte, niedergeschrieben in der Absicht, die ruhmreichen Taten der Menschen niemals gänzlich in Vergessenheit geraten zu lassen, oder mit irgendeinem ähnlichen glänzenden Hintergedanken. Möglicherweise bin ich einfach unerträglich ichbezogen, denn meinem Eindruck nach ist das, was ich geschrieben habe, die Geschichte meines Lebens, da sich fast alles auf mich bezieht. Nun haben Sie vielleicht mehr Werke dieser Art gelesen als ich und wissen deshalb besser, wo eine Lebensgeschichte aufhören sollte. Womöglich haben Sie bis hierher mit der zunehmend schwindenden Hoffnung gelesen, ich würde früher oder später steckenbleiben und irgendwann damit beginnen, alle die Reden, Schlachten und Abstimmungen aufzuzeichnen, die in den von mir behandelten Zeitraum fielen – sollte das der Fall sein, sage ich Ihnen lieber gleich, daß ich das nicht tun werde. Sie können dieses Buch ja zu meinem Freund Dexitheos zurückbringen, ihm erklären, es habe ein Mißverständnis gegeben, und dann wird er Ihnen ganz bestimmt die Drachme zurückerstatten, solange Sie keine Milch über das Buch geschüttet oder eine der Rollen zerrissen haben. Aber wenn das hier meine Lebensgeschichte werden soll, dann ist es nur logisch, daß ich sie unmöglich beenden kann, bevor ich mein Leben nicht beendet habe und weiß, was mit mir am Schluß geschehen ist; doch dann kann ich natürlich nicht mehr darüber

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