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Walled Orchard 02: Der Garten hinter der Mauer

Walled Orchard 02: Der Garten hinter der Mauer

Titel: Walled Orchard 02: Der Garten hinter der Mauer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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einheimischen Dorfobersten verloren worden. Ich verfügte über eine Menge Hypotheken und Pachtverträge, aus denen ich mich irgendwie herauswinden wollte, und hatte obendrein noch eine ganze Menge Erbschaften zu beanspruchen – in Sizilien waren mehrere entfernte Verwandte von mir gestorben, ohne Erben zu hinterlassen, und mein Anspruch auf ihren Besitz war genauso berechtigt wie der aller anderen Bewerber. Nachdem alles geregelt war und man mir höchst bemerkenswerterweise den größten Teil des von mir nach Thessalien gesandten Gelds zurückerstattet hatte, stellte ich fest, daß ich durch die Erbschaften sogar besser dastand als zuvor. Das beweist einmal mehr, daß die beste Möglichkeit, in einer Stadt wie Athen reich zu werden, darin besteht, länger zu leben als alle anderen.
    Aber das alles kostete mich sehr viel Zeit, zumal ich dabei mit keinerlei Hilfe oder Unterstützung meiner Mitmenschen rechnen konnte. Durch die Art und Weise, wie ich Demeas entronnen war, war ich in Athen für eine Weile höchst verdächtig geworden, und wenn ich heute darüber nachdenke, war es ein Wunder, daß man mich nicht erneut aufgrund irgendeiner x-beliebigen Beschuldigung vor Gericht gestellt hatte. Schließlich hatte ich in einer öffentlichen Rede in recht eindeutigen Worten den Umsturz der Demokratie befürwortet, und es waren schon Männer für vagere Andeutungen gestorben. Aber ich nehme an, das Ganze in solch unverblümter Weise ausgesprochen zu haben, war eine derart absurde und unglaubliche Tat gewesen, daß niemand recht glauben mochte, ich hätte sie wirklich begangen. Und genau das ist eine Eigenart, die ich bei Staaten wie dem unseren immer wieder beobachtet habe: Beweist man Mut oder etwas, das wie Mut aussieht, dann legen sich die Leute nicht gern mit einem an; läßt man sie spüren, daß man vor ihnen Angst hat, dann erwischen sie einen; macht man sich hingegen größer, als man ist, lassen sie einen in Ruhe und suchen sich einen anderen aus. Dennoch lag es auf der Hand, daß ich es lieber nicht zu weit treiben sollte. Zu diesem Zeitpunkt wäre es für mich am besten gewesen, den Namen Eupolis – zumindest für eine ganze Weile – vollkommen in Vergessenheit geraten zu lassen.
    Das bedeutete natürlich, daß alles, was so auffällig war wie die Aufführung eines Theaterstücks, nicht in Frage kam. Was ich auch in die Anapäste steckte, gleichgültig, wie harmlos es war, man würde es als Anstiftung zum Bürgerkrieg betrachten, und dann wäre Demeas oder irgend jemand anders hinter mir her, wie ein Hund hinter einem lahmen Hasen. Doch diese selbstauferlegte Verbannung vom Theater stellte sich für mich als weniger hart heraus, als ich erwartet hatte, zumindest zu Anfang. Wie ich feststellte, gab es nur sehr wenig, was ich sagen wollte, und den Drang, Komödien zu schreiben, verspürte ich nicht mehr. Zuerst war ich überrascht; ich konnte mir einfach nicht vorstellen, Eupolis zu sein und keine Verse verfassen zu wollen. Dennoch hinterließ diese Abstinenz in meinem Leben eine größere Leere, als ich es mir je hätte träumen lassen.
    Wenn ich nicht einschlafen kann, zähle ich zum Beispiel im Gegensatz zu den meisten anderen Menschen keine Schafe oder erstelle Listen von Städtenamen, in denen jeder Name mit einem anderen Buchstaben des Alphabets beginnt, sondern schreibe Reden und Chöre. Arbeite ich im Freien, halte ich die Langeweile von mir fern, indem ich Anapäste verfasse. Selbst wenn ich die Straße entlanggehe, neige ich dazu, die Füße im Jambentakt zu setzen, mit einem lauten Klopfen des rechten Fußes als Spondeus und einem kurzen Zwischenschritt, um die Zäsur anzudeuten. Wenn ich an keinem Theaterstück arbeite, fällt es mir sogar ausgesprochen schwer, mir die Tage einzuteilen. Normalerweise stellt sich mein Leben nämlich als ein einziger Kampf um ein paar ungestörte Stunden für ernsthafte Arbeit dar, die ich der unendlichen Steinwüste täglich anfallender stupider Tätigkeiten abringen muß; ohne die Ausrede, an einem Stück feilen zu müssen, habe ich keine Entschuldigung dafür, mich nicht an den Hunderten von sinnlosen Tätigkeiten zu beteiligen, die alle anderen Mitglieder meiner Spezies offenbar als notwendig erachten, die ich jedoch verabscheue. In der Verbannung lebende Politiker oder selbst Schmiede und Piraten haben vermutlich dieselben Probleme, wenn sie für die Arbeit zu alt werden.
    Doch zumindest war ich eine Zeitlang über meine Schreibpause glücklich; genaugenommen

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