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Walled Orchard 02: Der Garten hinter der Mauer

Walled Orchard 02: Der Garten hinter der Mauer

Titel: Walled Orchard 02: Der Garten hinter der Mauer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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freute ich mich, endlich einmal nichts zu tun, was jeder, der mich kennt, als einen Widerspruch in sich selbst betrachten würde. Ich gehöre zu jener Sorte Mensch, die jede Arbeitsmenge bewältigen kann, solange sich nicht der Eindruck von Arbeit einstellt. Bei allem, was ich gezwungenermaßen tue, bekomme ich das Gefühl, Bleischuhe an den Füßen zu haben. Doch nach dem Freispruch tat ich überhaupt nichts, bis mich Phaidra nicht mehr auf der Liege sehen konnte und mich aufforderte, zu verschwinden und irgend etwas zu schreiben. Aber es gab nichts, was ich hätte schreiben können, und wenn mir nicht danach ist, kann ich genausowenig etwas zu Papyros bringen, wie krank sein, wenn ich mich nicht schlecht fühle. Schließlich gewann ich die Überzeugung, daß Athen für mich nicht der geeignete Aufenthaltsort sei, und deshalb machte ich mich vier Monate nach dem Prozeß zusammen mit Phaidra auf den Weg nach Pallene. Für einen Mann, der noch Arme und Beine gebrauchen könne, sagte ich ihr, gebe es auf dem Land immer etwas zu tun, und wenn ich erst einmal in Pallene sei, würde ich mit dem Nichtstun bestimmt bald aufhören.
    Ich irrte mich. Statt dessen stellte sich heraus, daß es für mich in Pallene noch viel weniger zu tun gab als in der Stadt. Versuchte ich, auf den Feldern zu arbeiten, stand ich zuletzt immer wieder auf meine Hacke gestützt da und starrte auf den Berghang, bis mich mein Verwalter höflich bat, mich zu entfernen, weil ich den Sklaven ein schlechtes Beispiel gäbe. Ging ich mit den Ziegen hinaus, war es noch schlimmer, und stets mußte mir jemand nachgeschickt werden, um zu verhindern, daß die umherstreunenden Ziegen von einem gewissenlosen Nachbarn eingefangen und mit einem neuen Brandzeichen versehen wurden. Wie ich mich erinnere, ereignete sich ein schrecklich peinlicher Zwischenfall, als man mir eine Ladung Feigen anvertraute und auftrug, damit loszufahren und sie auf dem Markt zu verkaufen. Ich hatte mit dem Karren schon einen Großteil des Weges den Berg hinab zurückgelegt, als die Achse brach und die gesamte Ladung mit einem gewaltigen Krachen der zersplitternden Krüge und kaskadenartig herabstürzenden Feigen in alle Richtungen auseinanderstob; und anstatt in den höchsten Tönen zu fluchen und vom Karren zu springen, um mich um die Ladung zu kümmern, blieb ich einfach auf dem Kasten des beschädigten Karrens sitzen und fand das alles furchtbar komisch, bis hinter mir jemand angefahren kam und mich lautstark aufforderte, die Straße frei zu machen, damit er mit seinem Karren vorbeifahren könne. Zum Schluß sammelte ich alles wieder ein, aber da war es für den Markt bereits zu spät, also fuhr ich nach Hause zurück, wo alle über meinen Anblick höchst erstaunt waren.
    Als einzig Nützliches und Fruchtbares verbrachte ich ein wenig mehr Zeit mit meinem Sohn. Eine Beschäftigung, die schon an sich mißbilligt wurde: Es ist nicht Sache des Vaters, sich in die Erziehung seines Kindes einzumischen, bevor es nicht ein Alter erreicht hat, da der Einfluß eines Vaters von Nutzen ist. Doch die Menschen um mich herum glaubten, daß ich dem reibungslosen Ablauf des Haushalts in Anbetracht meiner derzeitigen Verfassung weniger schaden würde, wenn ich den Jungen mit auf den Berg nahm und ihm beim Herumkrabbeln zusah. Ich habe diese Beschäftigung als nützlich und fruchtbar bezeichnet, womit ich nicht andeuten will, sie wäre für den Jungen nützlich und fruchtbar gewesen, der wahrscheinlich gar nichts davon mitbekommen hat. Aber mir hat es Spaß gemacht. Vorher hatte ich mir nie besonders viel aus Kindern gemacht – sich mit jemandem abzugeben, mit dem man sich nicht über Komödien unterhalten kann, hielt ich größtenteils für Zeitverschwendung. Doch um das eigene Leben ins richtige Verhältnis zu setzen, gibt es nichts Vergleichbares, als einige Zeit mit einem plappernden Kind zu verbringen. Ein Kind wird nämlich von allem so unheimlich direkt berührt; momentane Beschwerden sind unerträglich, momentane Wünsche und Begierden von äußerster Wichtigkeit, und die entfernteste vorstellbare Zukunft ist der Sonnenuntergang. Nun steckte ich zu jener Zeit gerade mitten in dem Versuch herauszufinden, was ich wirklich von meinem Leben erwartete – obwohl ich mir dessen damals nicht bewußt war –, und diese neue kindliche Betrachtungsweise von Zeit war ein nützlicher Vergleich. Wie man Zeit bemißt, hängt davon ab, was man tut und wer man ist. Ein Kind mißt die Zeit, wie schon gesagt,

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