Wallenstein (German Edition)
willst mich unruhig machen.«
»Ich kann mit ihm nicht in Frieden leben, und wenn er mir den Bruderkuß anböte, müßte ich mit ihm Krieg führen. Ich will ihn nicht, ich will ihn nicht, ich kann ihn nicht dulden. Wie es mich quält, daß mein Land zum Reich gehört, wo in Wien er auf dem Thron sitzt und das Reichsszepter in der Hand hält, der Ferdinand von Habsburg heißt. Ein Schlemmer, ein Nichtstuer. Zur Not, daß er fromm ist. Ich würde gut zu ihm stehen, wenn ich in Frankreich oder Dänemark geboren wäre; dann müßte ich gegen ihn offen kämpfen.«
Der kahle Mann lächelte freundlich: »So klagst du mich an, daß ich kein Wasa bin oder kein Welscher. Ich bitte dich um Verzeihung.«
Der Kurfürst sah sehr alt aus, als er das Kinn in die Hand stützte: »Scherzt nicht, Vater. Was soll das hier. Es ist keine Freude für mich. Seht das hier. Albrecht Wallenstein, Fürst von Friedland. Und nicht nur das: Albrecht Wallenstein, Kommando der kaiserlichen Truppen. Dies Ende nimmt durch ihn Habsburg. Kein Regiment haben die Habsburger jemals führen können über ihre Länder, ihr Haus haben sie bereichert, den Wanst sich gefüllt, wüste Spielereien haben sie getrieben wie Rudolf. Das war ihr Glück: ihre Wohnung, ihre Freunde, Musik, Turnier, die Weiber. Böhmen geht unter, in Saus und Braus; was liegt Habsburg daran.«
»Du kannst nichts tun als den Kaiser weidlich placken, sei auf der Acht wie ein Jude: spring bei und nimm ihm weg, was er nicht hütet. Und wenn er betrunken ist und daliegt, wirst du auch wissen, was du zu tun hast.«
Mit seiner weichen Weiberstimme Maximilian: »Arm wie eine Kirchenmaus waren sie; nach Prag haben sie Beamte hineingeschickt, zum Einkauf beim Schlächter Bäcker – sie konnten das Brot, die Semmeln, den Braten nicht für den Tisch zahlen. Vor acht Jahren. Die Edelknaben waren da; in Lumpen gingen sie, schrieben an ihre Eltern um Geld für Kleider. Aber das wirft diese Verschwender nicht um.«
Maximilian rutschte mit der Schläfe seitlich von der stützenden Handfläche ab, ließ den Kopf in die Armbeuge gleiten, stierte gegen das Holz vor ihm, die Aktenrolle fiel ihm zwischen den Knien auf den Boden. Nach einer langen Pause, während der vermummte Herzog sich vergnügt am Ofen rieb, kam aus dem Munde des fast schlafenden Mannes am Tisch: »Geschenke, Abzahlungen, Botenlohn. Noch ein Dutzend, noch ein Dutzend. Und so hat sich der hochedle Schwager bei mir freigekauft. Er regiert im deutschen Reich und weiß es kaum. Er hat neu gefreit, Eleonore von Mantua, ein junges Kätzchen, das ist seine Lust. Sie und der Friedländer, das gehört zusammen. Pfui, pfui.«
»Melancholisch bist du wieder, Max, du wirst zur Ader lassen müssen.«
»Er kam von Frankfurt an wie ein Betrunkener; er hat mich geküßt, sein rundes, glühes Gesicht; er roch nach Wein; mich hat geschaudert. Er hat mir den Kurhut versprechen müssen; als Pfand hat er mir fast seinen halben Besitz abtreten müssen. Ich hab’ ihn hart bei den Ohren genommen und tribuliert, also daß ihm hätte der Verstand wachsen müssen. Und wahrhaftig: er bekommt es fertig, mich zu beschimpfen.«
Er richtete sich auf; wie er sein langwallendes Haar am Nakken hochhob, kamen seine großen verborgenen Ohren zum Vorschein.
»Ich werde ihn nie wieder schütteln.«
So gespannt man in Wien auf die Antwort Maximilians wartete, es kam kein Bescheid. Sie dachten, er fürchtet sich durch jede Redewendung bloßzustellen; dann: er grollt, er hat den Schlag gefühlt. Sie dachten nicht an das, was sie schon beinahe wieder vergessen hatten: an den Ursprung, die Herkunft dieser neuen Stärke. Mit Zorn verbot der Kurfürst seinem Vater, jemandem davon zu erzählen, wie er von Wallenstein dächte. So tief schämte er sich des aufgetauchten, in kaiserlichen Glanz gehüllten Abenteurers, daß er sich mit Qual gegen Richel und den von Hohenzollern, seinen Obersthofmeister, anerkennende Worte über ihn abrang, damit niemand auf den Einfall käme, ihn eines verächtlichen Umgangs zu zeihen. So wie auch nie ein Wort der Abneigung gegen den Kaiser nach außen gelangte über seinen Vater hinaus. Und der Vater wußte wohl, daß sein Sohn nur unter dem Stolz litt, sein Leben lang von nichts beherrscht wurde, als daß ein Haus im deutschen Reich sich anmaßen konnte, über dem Wittelsbacher zu stehen. Von Kind an, von jenem Kirchgang an, wo Ferdinand in Ingolstadt den jungen Bayern aus der ersten Bank fortgewiesen hatte, und seit da ohne Ruhe
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