Wallenstein (German Edition)
Mörder, die sich am hellen Tag aus ihren Höhlen wagten und denen es nicht graute, sich von der Sonne Gott des Vaters beleuchten zu lassen. Die der siegreiche Kaiser über die Märkte und Flecken jagte, um das Volk zu kränken und seine Wunden zum Schwären zu bringen. Vor ihnen erschien, in ihren verschmutzten Häusern Höhlen Gewölben, alles Verbrechervolk. Die Schiffbrüchigen schlichen sich ein, verschleuderten den Rest ihrer Habe. Die Hebräer kannten alle Blicke, kein Beichtiger hörte so gut, so scharf wie sie. Wo die Not sich draußen regte, spürten sie es, an den Dienern der Vornehmen, der Grafen Fürsten, die in Nacht und Nebel mit Edelsteinen Gold Gewändern seltenen Möbelstücken bei ihnen anklopften, bettelnd, drückend. Im Schmutz begraben lagen sie abseits von den Häusern in Unratgruben, schlürften den Reichtum der halben Welt ein, und wenn sie davon abgaben, nur um mehr einzuziehen. Lagerten stumpf auf der Habe, wußten nicht wie sie nutzen. Gold gab es, um Lust damit zu kaufen; sie wußten nichts mehr von dieser warmen beseligenden Lust, wie der Maulwurf nichts von der Sonne. Gold gab ihnen nur die böse Freude, die Menschen draußen aufzuziehen und sich an dem schmerzvollen zappelnden Narrenvolk zu weiden. Herren, Richter mit Hohn und Gelächter auf ihre Bändiger, deren schwache Stunden sie belauschten seit Jahrhunderten. Würde man sie sich überlassen haben nur ein einziges Jahrhundert, würde keine Spur selbständigen Lebens um sie existiert haben, die Welt hätte alle Glut an sie abgegeben. So mußte man alle paar Jahrzehnte mit Messern Feuer Knütteln Spießen auf sie eindringen; mußte sie ausrauben totschlagen, brachte die Welt wieder ins Gleichgewicht.
Das große Königsvolk, seit Jahrtausenden von seinem Stuhl geworfen, hatte in einem Bann nichts gelernt; auf dem Gesicht liegend, die Knie gebrochen, den Mund voll Sand; es duldete das Dasein; sinnlos, abgründig tot, was geschah: Jerusalem der letzte Schein des Lebens.
Nichts geträumt seit hundert und aberhundert Generationen als dies: Jerusalem, bei der Einsegnung des Knaben, der Brautpaare, der Leiche.
In den abseits gestoßenen, menschenungewohnten Tieren waren wüste Begierden gewachsen, Haß Hohn und Verachtung in wilder tropischer Breite ausgewuchert, Lust am Verderben. Schakal Hund Schwein war, was in ihnen wuchs. Gelb die Farbe auf ihren Kleidern, heißgelb das Leben, das aus ihrer Schwärze schwelte. Zogen, Besessene, auf Menschenmord aus, lockten wie Spinnen Sanftes, Süßes an sich vom Christenvolk, um es schmerzgeweidet zu vernichten; da lachten die Irren nicht vor Freude. Vor ihren stummen Opfern in den Gewölben brachen sie in Weinen aus; das war das einzige, was ihnen vergönnt war. Diese opferten Blut, rauchendes Leben; man mußte sie binden, in Kellern angeschmiedet halten.
Auf den Straßen, in den Kirchen, an den Häuserwänden der Städte, neben denen sie wohnten, häuften sich die Abbilder der Heiligen, die süßen Marienbilder, die fromm verzückten Theresien Magdalenen; in Prozessionen unter Singsang, mit Fahnen wallten die Götter und Gottähnlichen zwischen den Häuserreihen, über Wiesen, verehrt, bejubelt. In den Hütten Nestern an den Städten, den Ghettos hörten es die Hebräer, den Finger anhebend, die starren Gesichter zu einem grausamen Lächeln verziehend: da sangen die, denen sie dienten, da zogen Götter vor ihnen, den ganz Entgötterten. Da gingen die Scharen derer, von denen sie Qual erlitten, und aus denen ein Drang sie immer wieder wies, Menschen zu antwortender Qual herauszureißen.
Sie torkelten hoch, wandten sich um, trauer- und kotstarrend. Gewaltige des Reichs näherten sich ihnen. Draußen Luft, die rein wehte, draußen Glanz und Wechsel; die weite Erde. Der von Wallenstein, ihr Wallenstein, in den Kaiserhof eindringend, Heerführer des Kaisers.
Schamloses Jubeljauchzen im Prager Ghetto. Frohlocken der Rachsucht. Ungläubigkeit Tränenvergießen und wieder gelles Frohlocken. Es sollte dem neuen Herzog an nichts fehlen.
Sie wanderten durch die gereinigten fackelerleuchteten Gassen zur Synagoge. Die Truhen mit den Prachtstücken, den hingegebenen Beutestücken ihrer Feinde hatten sie entleert. Die Weiber in dunkelroten Kleidern und Seide, mit Gold- und Silberborten, darüber rote Jäckchen, brokatverbrämt; blitzender Schmuck der vollen Arme, der Stirn, Korallen, Steine; die Männer gegürtet, auf hohen Schuhen, in veilchenfarbigen, dunkelblauen Gewändern, Pelzbarette auf den
Weitere Kostenlose Bücher