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Wallenstein (German Edition)

Wallenstein (German Edition)

Titel: Wallenstein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Döblin
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sonderbar.«

    ALS DIE Römische Majestät hatte verlauten lassen, sie wolle den böhmischen Herrn, den Albrecht Eusebius, Regierer des Hauses Wallenstein, empfangen, war die Scham der geheimen Berater außerordentlich. Sie konnten sagen, daß sie trotz seiner Geschenke ihn nicht begünstigt hatten. Wie sollten sie ihm und der eleganten dezenten Mantuanerin diesen Braten vorsetzen, diesen Edlen von Bassewis Gnaden. Wenn Bassewi ein Jude war, so Wallenstein Judenfürst. Man hielt es nicht für ausgeschlossen nach seinem Verhalten in der Stadt, daß er den Juden zum Empfang mitbrachte.
    Es hieß, der Kaiser wollte in seiner Milde seinen Schwager im Kampf gegen Dänen und Niedersachsen nicht allein lassen; die Wut am Hofe auf Maximilian, als das Unvermeidliche sich näherte. Sie mußten folgen, sich in Wallensteins schmutzige Hände geben. Als der bucklige Graf hörte, daß der Prager Wucherer in die Burg einziehen würde, sagte er ganz still beiseite zu seinem Freund, dem Abt Anton, nunmehr könne auch er nicht mehr das Beben in sich unterdrücken; nun müsse er sich fragen, ob das Habsburger Haus sich unter solchen Umständen werde halten können, ob der jetzige Kaiser nicht zwar kaiserlich und konsequent sei, aber den Ruin des Hauses herbeiführe.
    Die sechzehnspännigen rotjuchtenbezogenen Karossen fuhren an der Burg vor, den Purpurmantel legte der hastige von Wallenstein im Vorzimmer ab; als er bartstreichend wartete, stand nur der naserümpfende Obersthofmeister bei ihm; keiner der hohen Räte hatte sich ihm in diesen Tagen genähert.
    Und als er wieder im Vorzimmer stand, hielt sich Ferdinand, die silbernen Schnallenschuhe übereinandergelegt, allein in dem Saal, auf einem Schemel sitzend, sich seitwärts auf die Armlehne stützend, die Hand vor die Augen. Er erinnerte sich, ihm war nicht gut: dieses Gesicht, diesen Kopf hatte er schon gesehen. Er war diesen eigentümlich lautlos hellen kleinen Augen schon öfter begegnet; aber jäh fiel ihm jetzt etwas ein, zog durch seine Brust, strich über seinen Magen, über seine Zunge, etwas Brennendes, Schweres. Ein Traumgesicht, wie kam das nur hierher.
    Er ritt und ritt. Er flog durch die schwarze Luft. Er hatte das Gefühl, daß das edle Tier unter ihm gleichmäßig trabe, aber so weich war der Boden und doch nicht lehmig, daß kein Schall an seine Ohren heraufkam. Ein moosiger Waldboden. Hier hat ein alter Wald gestanden. Nur ab und zu tauchten Stämme auf, fuhren um ihn herum, wichen aus. Der Wind blies sanft. Und er erinnerte sich, daß Eleonore auf dem Schiff auf der Donau langsam fuhr, auf dem Schiff, das keine Furchen machte; der Weg, der Fluß lief mit ihr mit. Und der Gedanke, daß dies doch einmal ein Ende nehmen müsse. Er könne doch nicht ewig reiten. Sein Zerren am Zügel, seine Sporen, Aufreißen hatten keine Macht. Es schien, als ob er seine Beine nicht bewegte, als ob er sie nur bewegen wollte und mit keiner Anstrengung einen Muskel spannen konnte. Es hieß, o Jesus, o Jungfrau, sich beruhigen. Es hieß, o Jesus, o Jungfrau, nicht verzagen. Wie ließ sich nur ein Gebet sagen; wie sind die Worte vom Wind verweht. Bäume, Stangen, Dünste, Rinnsale. Und immer das Heben und Senken, Gleiten Rudern. Das Spritzen des Moors. Es wird heller; es ist die Helligkeit, die der Mund junger Kätzlein hat, bleiches Rosa. Er bemerkte, daß er ein Gießen, Rinnen überhört hatte bis eben. Und dann lag es am Himmel, über der Erde, etwas Schwarzes, Breites, langsam Bewegliches. Das Pferd lief noch weiter. Er konnte den Rumpf nicht wenden, den Kopf nicht abdrehen, um dem Atem zu entgehen, der von oben gegen ihn anwehte. Eleonore fährt auf dem Prunkschiff drüben von ihm ab mit dem Fluß, mit dem Weg nach Wien hin, hinten nach Wien hin, in das Rosa hin.
    Menschliche behaarte Brust, die sich über ihn schob, Haare, die wie Wolken, Spinnweben über ihn flockten, menschliche Arme, denen er entgegenritt. Aber ein Wulst, fleischige glatte schlüpfrige Säulen und kalt wie die Haut eines Salamanders. Federnde Bewegungen machte es, mit Ruck, her und hin kam es dichter über ihn. Und unter immer neue Arme glitt er, er schnappte nach Luft, keuchte auf. Ein Tausendfuß, unter dessen Bauch er ritt. Tiefer mußte er sich krümmen auf dem wogenden rastlosen Pferderücken. Ein weiches Wallen des Bauches benahm ihm den Atem, es waren geblähte luftgefüllte schwappende Säcke; sein Bewußtsein schwand auf Sekunden. Seine Kehle suchte ein »Äh, äh« auszupressen, seine Ohren rangen

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