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Wallenstein (German Edition)

Wallenstein (German Edition)

Titel: Wallenstein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Döblin
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verblasen, die Welt ist weiter als die Mauern; es geht nur die Rede von Heu, Stroh und Hafer für die Gäule, die Soldatenweiber und Wäscherinnen tragen Körbe, ziehen Karren hinter sich, darauf haben sie die Pelze Stiefel Kleider Wämser. Es wird geschrien, zerbrochen, vergossen, verwundet, erschlagen, betrogen. Die bemalten Häuser verbrennen eines Nachts eine Gasse lang, denkt keiner zu löschen, dreht sich keiner um danach. Und so ist alles verbrannt, die Kinder mit, die Frauen erschlagen, verschleppt, verlaufen, der Hausrat zertrümmert; die lieben Eltern, Frauen, lieben Kinder, der behütete Hausrat von Ahn und Urahn her. Die Herzen schwollen ihnen, sie weinten auf den langen Landstraßen, schutzlos, nackt einer vor dem andern, weinten, die Stöcke schleppend, über das blanke Gesicht, der Wind blies ihnen hinein, sie flennten weiter, zeigten ohne Gedanken den Entgegenkommenden ihre zitternden, mürrisch zusammengezogenen und wieder aufgelösten Mienen; das rieselnde Wasser lief von oben her aus den Nasen vor ihnen her auf den Weg in den Staub, Tröpfchen hinter Tröpfchen, einer ging auf denen des andern. Bis sie nur noch verzagt stöhnten, die Köpfe auf die Schultern, vor die Brust hängen ließen und weiter trieben. Nach Norden. Zum Oberst Fahrensbach, zum Isolani, und wer ihnen beschert war. An ihrem Erdflecken, zwischen den und den Hügeln, hinter dem und dem Weiher, zwischen den und den Wäldern.
    Einmal fielen sie einem wandernden böhmischen Emigranten in die Hände, einem plötzlich aus einer Strohmiete auftauchenden Vagabunden, der einen zerfetzten schwarzen Prädikantenrock trug mit weiten Ärmeln, in die er Brotstücke und Speck eingebunden hatte. Ein Kranz von grauen Stoppelhaaren stand um seine beschmierte Glatze; er schwatzte viel, schien irr zu sein. In einem Bauernhof, wo man sie eingelassen hatte, hielt er ihnen mit Gelächter über seinem verschrumpften Gesicht, Äpfel und Brot schmatzend, an einem Heuwagen eine Rede. Sie sollten nicht mit Christus kommen, sollten nicht von Gott reden. Was das alles für Kindergewäsch wäre. »Gott ist so groß, so – so – groß! Niemand weiß etwas von ihm, als was geschrieben steht. Es steht nicht einmal fest, ob er lebt. Jawohl, er kann schon verschwunden sein aus Ärger und Abscheu und hat die ganze Gesellschaft wie ein hohles Gehäus liegen lassen. Und da können wir heulen, beten, uns schöne Sonntagskleider machen, singen von morgens bis abends, und Gott ist schon über alle Berge, daß es zum Lachen ist.«
    Wie sie mit starren Seelen, leicht heiß, ganz innen sonderbar durchglüht, sich ihren Dörfern näherten, fanden sie wenige, denen sie zuflüstern konnten, daß der Römische Kaiser ihre Toten hatte auf Wagen kippen und verscharren, sie selbst aber auspeitschen lassen; er wolle sie gar nicht schützen. Vielleicht würden die starken Hansastädte, die Fürsten sie schützen. Vielleicht. Es waren zu viele geflohen und gestorben inzwischen. Und wenn sich plötzlich die Dörfer von den Soldaten leerten, das Trompetenblasen kein Ende nahm, gingen sie zwischen den leeren Häusern herum; es wurde leichenstill, sie faßten gedankenlos die Säcke Sensen in den Scheuern an, blickten zu den Baumwipfeln hoch, gruben die Fäuste in die Taschen. An einem Ende des Dorfes fing es an, das leise Flüstern, Vor-sich-her-Schimpfen, Fluchen auf den Kaiser, und lief durch die Gäßchen, Gehöfte, wo sich Menschen schwer aus Lehm und Schutt wühlten hinter den Truppen, die sich unter dem Herzog nach dem Meer zu schoben. Schreie, Drohungen; wie wenn Mäuse an einem Schrank beißen, so knisterten, knackten, knatterten um Ferdinand die leisen scharfen Verwünschungen, rissen mit blitzschnellen Krällchen an seinen Schuhen, Strümpfen, ließen sich durch kurze Stöße nicht verjagen in ihrer Wut, knabberten, liefen an, kratzten, krallten, bissen. Bei Strelitz grub sich ein Einsiedler eine Höhle in einem Hügel. Er betete nicht, saß feueräugig, wildbärtig, fellbehangen an einer Kiefer auf dem nadelbestreuten Boden, sang Soldatenlieder, schaufelte um sich einen Wall, auf den er Moos trug. Dörflern, die zu ihm jammernd nach Rat, Papieren und Amuletten schlichen, gab er Auskunft: Die Welt hat einen Hauch von Verwesung. Es ist ein zarter Geruch, der bei mancher Witterung stärker wird.
    »Der Regen fällt herunter, der Wind wirft die Blätter und Stacheln von den Ästen, sie vermantschen; es sitzt eine schreckvolle Unruhe in der Welt. Jeder Tag, der aufgeht, die

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