Wallenstein (German Edition)
von der gebissenen, halbaufgefressenen Ratte, dem Dänen, von Wallenstein, den der Kaiser schickte, der im Sieg zum Herzog aufstieg. Die Bürger gingen wie Mäuse an den Speck. Es gab geheime Dinge zu sprechen, gegen die löbliche Ehrbarkeit, Richter und Ratsmannen, Geschlechter zu konspirieren, Korporäle, Kornetts in den Trinkstuben zu empfangen. Es war eine dunkelgärende Rebellion, die wie eine Wolke über die Bezirke flog. Was bei Helmschmieden Pfeilschnitzern Plattnern Schwertfegern Ringlern Nadlern gepflogen wurde, blieb kein Geheimnis den Hafnern Mehlmessern Wildpretlern Wollschlägern Lebküchlern, den Fellfärbern Mäntlern Joppern, in Reichsstädten, Bischofssitzen, Grafenresidenzen. Eben war es nur eine Belebung ihrer zünftlerischen Zusammenkünfte, bald eine unsicher tastende Bewegung, deren Stichwort noch nicht gesagt war.
Die stummen apathischen Massen der Edlen, die Patrizier, Gelehrten, katholische, protestantische. Sie bewegten sich. Was vorging, floß in sie wie ein elektrischer Schlag, der sie erzittern ließ. Der alte Barbarossatraum von dem freien großen deutschen Reiche lebte hier. Leidenschaftlich wollten einige wissen: die Zeit sei erfüllt. Die Fiedler sangen so lieblich. Die Dinge aber enthüllten sich. Wallenstein zeigte sein grausiges Gesicht: Ein einiges deutsches Reich, eine einige Knechtung. Söldner breitbeinig durch die Gassen, über die Märkte, Trommeln und Pauken hinterher. Die Sprache des neuen Herrschers Armut Entrechtung Versklavung. In Tierställe verwandelten sie das Heilige Reich. Aus ohnmächtiger Pein stiegen Bittschriften an den Kaiser. Die bezwungenen Landesherren schickten ihre Vertrauensmänner unkenntlich auf die Dörfer und Flecken, in die besetzten Städte, die Stimmung zu erforschen, Mut zu machen, aufzureizen. Da fanden sie wenig Liebe. Auf dem Lande wirtschafteten die Bauern, die Nachkommen jener stolzen, die vor hundert Jahren zu Tausenden eingekesselt und niedergemetzelt waren von den Vorfahren der Edlen, die sie jetzt angingen. Sie fanden Grimm und Furcht nach beiden Seiten gegen Kaiserliche und Fürsten. Mißtrauisch, leidend sahen die Bauern auf die Musketiere und Reiter, mißtrauisch auf die flötenden bettelnden Abgesandten ihrer Herrschaften.
Nur ein Volk kicherte beim Anblick der finsteren Leiden Deutschlands: die Böhmen. Sie sahen die Rache sich vorbereiten, hörten das Knacken in dem Bogen des Kaisers, die Stücke der zerbrechenden Waffe würden ihm in Brust und Kopf eindringen. Sie jubelten, der Sieg konnte allein ihnen nicht entgehen. Wie ein Symbol über der Verderbnis der Herzog von Friedland, die Pest, in ihrem Lande geboren.
ZDENKO VON Lobkowitz war tot; seine Stelle als Oberstkanzler von Böhmen hatte ein leiser Mann eingenommen, Graf Wilhelm von Slawata. Man kannte seine Feindschaft zum Herzog; er hatte leidend das Amt angenommen, das man ihm anbot als einem Verwandten und Feind des großen Herzogs. Slawata stopfte sich gequält die Ohren, als man ihm erzählte von den Karlsbader unerhört glanzvollen Reisen des Herzogs; »was haben ihm die Juden dazu gezahlt, wieviel hat er erpreßt, was hat er gewuchert.« Wallenstein zwang ihn zur Feindseligkeit immer wieder aus seiner menschenfremden Ruhe heraus. Er war sehr fein, mit Trautmannsdorf tauschte er skeptisch überlegene Worte aus, aber vermochte nicht wie der bucklige Graf dem schreckensvollen Experiment Wallenstein mit Neugier zuzuschauen und dem Herzog aus Interesse zuzustimmen. Die Maske zog er nicht vom Gesicht. Verschwiegen studierte er den Herzog, in dessen neuem Palast am Hradschin er bisweilen erschien.
Eines Tages empfing der bayrische Geheimrat Richel den Besuch eines Kapuziners, der sich als Böhme legitimierte und einen schriftlichen Geheimauftrag vorwies: wonach er die Kurfürstliche Durchlaucht in einer Angelegenheit von höchster Wichtigkeit um die Entsendung eines Agenten nach Prag ersuchen sollte. Der achselzuckende Kapuziner wollte weder den Schreiber des Briefes nennen noch die Angelegenheit umschreiben; seine Legitimation stammte von dem sehr namhaften Abt des Klosters. Ein bayrischer Geheimagent, Alexander von Hales, Italiener, selbst Kapuziner, reiste mit dem Ordensbruder nach Prag ab. Ihm wurde von dem Abt der Eid abgenommen, daß er die Person, der er vorgestellt werde, nicht nach ihrem Namen fragen werde, wenn sie sich selbst nicht nenne, daß er ferner nicht niederschreiben werde, was er erfahre, jedenfalls nicht vor seiner Ankunft in München.
Dann saß der
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