Wallenstein (German Edition)
Ährenfelder, Müller, Viehmeister, Schweizer, Allgäuer.
Sankt Urbanstag; im grauen Regenwetter schlugen im Dorf die Kinder ein Holzbildchen des Papstes. Im innern Hof der Schwaig klopfte der Maienregen auf das Bretterdach einer kleinen Spielhalle; drin drängten sich auf ihren Sesseln hinter dem frierenden Kurfürsten – blauer Samtmantel bis auf die gelben Halbschuhe, blauer aufgeschlagener Samthut mit Perlenschnur, altes gefälteltes schlaffes Gesicht – der übergroße glotzäugige schwere Fürst zu Hohenzollern, Obersthofmeister und Geheimer Rat, der gestrenge und hochgelehrte Herr Bartholomäus Richel, der greise spitzbärtige Oberstkämmerer Kurz von Senftenau, Knecht der Jesuiten, Kämmerer Maximilians, der Marchese Pallavicino, der Signor Cavalchino, der elastische hohe Graf Maximilian Fugger, Johann Verdunk, sein Guardaroba, die Geheimsekretäre Rampeck und Schlegel, Kriegskommissare, Bildhauer. Sie saßen stumm vor der niedrigen schmalen engen Holzbühne, auf deren teppichbelegten Brettern sich zwei Menschen, nackt bis zum Gürtel, boxten, im trüben Nachmittagslicht hin und her sprangen. Leibwache mit Kopfhaube Hellebarde Schwert breitbeinig in Doppelreihe an beiden Längsseiten der Halle.
Der eine der Ringer, schwarzhaarig, breit, den Unterkiefer vorstreckend, ging im Hintergrund der Bühne wild, mit ängstlich verzerrtem Lächeln einher, zog meckernd hinter dem unbeweglichen braunen nach vorn, spazierte an der Rampe entlang, nach rückwärts schielend, nach vorwärts schielend, gegen den Saal sich unter Öffnen der Arme verbeugend. Er wartete vorn im Winkel, die Arme höhnisch übereinanderschlagend, den Braunen Unbeweglichen imitierend. Grinste keck, schlenderte drei Schritt gegen den andern. Mit seinem rechten Knie berührte er das vorgebogene Knie des andern, schob, drückte gegen das Knie. Er stieß, der andere stieß. Sie holten ihr freies Bein heran. Der Braune schlank, kopfhöher als der Schwarzhaarige, aus einem Traum geweckt, drängte plötzlich heftig mit dem spitz vorgekeilten Knie, rot überflammt, daß sie aneinander vorbeirutschten, auseinander taumelten, der Kleine mit den Händen den Boden berührte. Wie er sich aufrichtete, umdrehte, funkte ein höllischer Schlag ihm in die Schläfe, daß er, wie verwundert, sich hinsetzte, den Kopf senkte. Er wollte wieder höhnisch, vertraulich dem Saal zulächelnd, hochklettern, als der Braune eine Fußsohle ihm auf die nackte Schulter legte von hinten und ihn leicht wippte. Mit verändertem Gesicht riß er seinen Rumpf beiseite, stand atemlos blaß auf den Füßen, stieß einen Arm krümmend hervor: »Mach nur, Herrchen, immer mach nur. Ich zahl’ wieder.« Der Braune hob reizend wieder den Fuß. »Komm nur heraus. Ich zahl’ jeden Schlag. An dich.« Stammelnd näherte er sich dem Braunen, sabbernd, mit weiten Augen; der legte ihm, ehe er, wie geplant, in sein Bein hatte beißen können, zwei schwere Hiebe über die Schultern, daß der Schwarze umknickte, wie mit Säcken über den Achseln nach rechts schlich, nach links schlich, sich gegen die Rampe wandte, sich duckte, um die Beine vom Podium herunterzulassen. Vier Leibwächter liefen klirrend an mit gefällten Hellebarden; der Kleine brach in lautes Lachen aus, stellte sich schwankend vorn hin: »Ich fordere dich heraus, Herrchen. Glaubst mich zu besiegen mit deinen plumpen Schlägen. Da steh’ ich. Schlag. Ich wehr’ mich nicht. Ich krieg’ dich schon.« Der Braune mit dicken, knöchernen Fäusten gegen ihn. »Ich krieg’ dich. Du bezahlst mir jeden Hieb, entgehst mir nicht.« Sie wechselten mit leichten Berührungen Stöße. Über den Schwarzen war plötzlich ein farbenstreuendes Summen, Dröhnen gefallen; halb besinnungslos lehnte er an der Seitenwand, murmelte: »Überleg dir, was du tust. Du richtest dich zugrunde.« Versuchte zu lachen nach einem grausamen Hieb gegen seine Oberlippe: »Ich weiß nicht, wie du das wirst aushalten können. Das – haha – das ist entsetzlich. Das ist ja tödlich. Bist ja ein Mordsverbrecher.« Hin und her wankend wälzte er sinnlos seine Arme wie Schlägel um seinen Kopf, dem ausweichenden Braunen nachschleifend. »Mein Gott«, greinte er an der Hinterwand, ohne zu wissen, daß er nur mit einem Auge sah, »ich wußte nicht, mit wem ich mich einließ. Pfui, das bist du. Es war nötig, dich aufzudecken vor der Welt. Da sitzen die Zeugen, die hohen Herren. An dir soll keine Gnade geübt werden.« Der schlanke Braune raste: »Was verleumdest du mich.
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