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Wallenstein (German Edition)

Wallenstein (German Edition)

Titel: Wallenstein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Döblin
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schöpfen in Neuburg, die Söhne könnten etwas merken, die Berittenen könnten den Gepäckwagen plündern. Verängstigt schnaufte er aus seinem Fellhaus heraus mit dem steifen stummen Kanzler, ob man die beiden Rotten nicht fortschikken solle; man hätte den Bock zum Gärtner gesetzt; aber dann sei man den wartenden Soldaten und Fechtbrüdern ausgeliefert. Er gab dem Kanzler ein Galgenmännchen in die Hand, er selbst umklammerte mit jeder Faust zwei: »Greift es fest, daß nichts geschieht.« Die Berittenen mußten sich, als die Achse gestützt war, vierzig Schritt hinter dem Wagenzug halten. Über Dachau Nymphenburg näherte man sich nach zwei Tagen München. Der Pfalzgraf, übergeschäftig, hocherregt, wagte sich aus seinem tierischen Kerker heraus, schweißbegossen; bisweilen völlig wirr im Wagen nach vielem Schwatzen Disputieren und Aushorchen, legte er als seinen neuesten Trumpf hin, daß man in München nicht so kurzerhand vorgehen könne, wie wenn es sich um die Privatsache von Hinz und Kunz handle, daß man nicht so einfach gerade ausgehe, seine Kammerdiener und Läufer schicke, sich von einem Hofmeister ein Losament anweisen lasse, einen Besuch abstatte, Gegenbesuch erfolge, Geschenke Gegengeschenke Besprechungen Banketts Zechereien des Gefolges, Ausritte Karussells. Dabei bringe man eine Sache von solchem Gewicht leicht ins Lächerliche, bringe sie zum Versanden zwischen lauter Gerede und Höflichkeit. Kurz und gut, er sähe gänzlich ab von einer persönlichen Rücksprache mit dem Herzog Maximilian, gänzlich und überhaupt.
    Was dann nun sei, geschehen solle, sann besorgt der Kanzler; so müsse man wohl umkehren. Also, fuhr der Pfalzgraf fort, er sähe gänzlich davon ab. Er für seine Person. Es sei seine Ansicht, durchaus seine Privatsache. Er hindere niemanden, eine abweichende Ansicht, Meinung zu haben; im Gegenteil, es sei jeder sogleich verpflichtet, sie vorzutragen, zu vertreten. In ihm war kurz vor dem Ziel, vor dem fernen Blinken der Liebfrauenkirche die entsetzlich beschämende Furcht aufgetaucht, der ganzen Situation nicht gewachsen zu sein; die Persönlichkeit des Bayernherzogs drohte; ihm graute davor, sie könne sich an ihm, dem Neuburger ehrwürdigen Pfalzgrafen, vergreifen, irgendwie ihm respektlos begegnen. Er fühlte sich, noch nicht eingetreten in die Stadttore, überwunden von Widerwillen, einem Durcheinander peinlicher Bilder; sah sich schon auf einem Sessel in der feierlichen bayrischen Residenz, schwerhörig wie er war, unfähig den Spitzen und Feinheiten von Maximilians Worten zu begegnen; ein ängstigendes Schauspiel.
    Er ließ sich Kissen in den Rücken schieben, die Vorhänge schließen, einen langsamen Schritt anschlagen. Diese Trokkenheit in Bayern, klagte er. Er werde jedenfalls, wenn es denn sein solle, den Maximilian im Hintergrund beobachten fassen erwischen. Dabei blinzelte er seinen gespannt nachdenkenden Kanzler, die trübe ehrliche Gestalt, an, ob der ihm nicht irgendwie zuvorkäme. Der rang die Hände, hatte einen heißen Ton in der Kehle: »Was machen wir, Durchlaucht? Mein Heiland, die ganze Fahrt, die lange Fahrt; und Durchlaucht werden erschöpft sein.«
    »Ja, erschöpft. Er hat es gefaßt, Kanzler. Ich bin erschöpft. Mehr als das, völlig unbrauchbar. Mir fehlt nur das Bett. Ich bin ein alter Mann.«
    Er bat auch um das Kissen des Kanzlers: »Ihr seid ein verständiger Mann. Ich hätte keinen bessern mitnehmen können. Wir werden ein wenig schlummern.«
    Während der Kanzler entsetzt Minute nach Minute zählte, sie sich den nördlichen Stadttoren näherten, schlummerte der Fürst oberflächlich, murmelte befriedigt, man dürfe in keinem Fall Dinge überstürzen; jeder sehe, daß er müde sei; er möchte das Weitere übernehmen. Als er zwischen den leicht gehobenen Lidern den Blick des Kanzlers erkannte, wiederholte er sanft: »Übernehmt nur das Weitere. Ich werde Euch Vollmacht erteilen.« »Aber Durchlaucht.« »Kanzler, Ihr braucht mich gar nicht viel fragen. Ich habe Vertrauen zu Euch; ich hatte es schon immer, konnte es nur selten offen äußern. In den Jahrzehnten, die Ihr um mich seid, habt Ihr die Grundsätze meiner Regierung genugsam kennengelernt. Ihr habt Euch längst – ich weiß ja, seid nicht zu bescheiden – alle Selbständigkeit in den Regierungsmaßnahmen erworben.«
    Der wand sich, verneigte sich, errötete, hob die Finger an die Schläfe.
    Der Fürst ließ den Wagen halten, schlief eine halbe Stunde. Er lächelte im Weiterfahren erquickt

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