Wallenstein (German Edition)
die Acht verhängt war, erschrak der alte Pfalzgraf Philipp Ludwig von Pfalz-Neuburg in seinem sonnigen weltabgelegenen Winkel.
Zwischen seinen Schachteln mit Diamanten kramend, über geschnitzten Kirschkernen grübelnd, die Becher aus Rhinozeroshorn abtastend und versteckend, hörte er zitternd von dem großen Krieg, denn er war aus dem gleichen Hause wie der glanzvolle geächtete Mann, dem der Engländerkönig seine Tochter gegeben hatte. An seinen Ebenholzkrücken schlich er in seine Kanzlei über weite brütende Gänge, murmelnd und händeringend seinen Kanzler, den Sartorius aus Dillingen, zu befragen. Nichts lag ihm so am Herzen, als daß alles im tiefsten Geheimnis bliebe, daß der Kanzler schwiege, daß man mehrere besondere Chiffernschlüssel anlege für diese Sache, daß auch die Söhne nicht eingeweiht würden. Besonders jener Sohn nicht, der mit einer herzoglich-bayrischen Prinzessin sich vermählt hatte, denn dieser war stolz und ehrsüchtig, ein Habenichts ohne den Vater, immer mit den Augen auf dem Glanz des Münchner Hofes, das versunkene versponnene Neuburg verachtend.
»Der Krieg ist ein Totengräber«, murmelte der Alte auf der verschlissenen Samtbank wichtig und hitzig zu dem Kanzler, »er sargt Leutchen ein, die eben noch mit graden Beinen tanzten, und uns alte Tröpfe holt er aus dem Kasten, lüftet uns; werden uns die Menschen, das Volk und die Stände, anstarren, daß wir noch leben. Der Philipp Ludwig von Neuburg! Ei, regiert denn der Wolfgang Wilhelm nicht, der wackere, der die Bayrische heimgeführt hat? Nein, der alte Philipp Ludwig hütet noch sein artiges Gärtlein, erfreut sich der Mispeln, Amaranthus und Tausendschöns wie einer. Sieh an, sieh an. Hat das große Sterben abgeschlagen, das Kriebeln und das böhmische Schafgift. Er lebt, Kanzler, ohne Zähne, am Stecken hängt er, die Finger krumm, die Knie krumm, der Darm will nicht. Der Kopf schläft uns den halben Tag und die ganze Nacht, kaum daß wir uns besinnen zu essen und Gott zu loben. Wir wären schon längst tot, wenn nicht unser Kämmerer wäre, der uns ein Gläschen Wein brächte von Zeit zu Zeit und die Beine einriebe.«
»Was wird Durchlaucht tun?«
»Warten, Kanzler, wie bisher. Wir haben Zeit, wir sind ja nicht jung. Geduld, Geduld, rennt Ihr zwanzig Meilen und keucht Euch das Herz aus dem Mund, wir kommen noch nach. Die Welt kommt schon zu uns.«
»Ich werde auf Befehl Eurer Durchlaucht zunächst zwei Pläne entwerfen über unsere Ansprüche an den Nachlaß des Ächters.«
Der im Wolfspelz drehte ihm schräg mit Wackeln den Kopf zu, den dünnen Mund offen, blinzelte mißtrauisch: »Es ist nicht nötig zu planen. Was sind das für Pläne. Aus Plänen und Planen wird nichts. Hört auf mich. Man darf nichts überstürzen. Laßt das. Seht mir zu, daß das Geheimnis gewahrt bleibt. Schreibt nichts auf, um Jesu willen, schreibt nichts auf.«
»Und wenn Durchlaucht von plötzlichen Ereignissen überrascht werden, von Einmischungen Fremder?«
Der zitterte, winkte mit den Armen ab, unterbrach, sich am Ohrläppchen zupfend: »Nicht so, Kanzler. Ihr dürft nicht so sprechen. Es wird nichts herkommen, den alten Neuburger überraschen. So weit sind wir nicht. In dieser Weise fangen wir nicht an. Geht mir aus dem Wege mit Euren Sachen. Grübelt nicht weiter nach. Mein Gott, ich hätte nicht darüber reden sollen. Soll denn mein ganzes Haus umgestürzt werden. Wir müssen warten. Ich werde Euch sagen, wann Ihr nachdenken sollt, wann Ihr mir helfen sollt.«
Abgehend streichelte er ihm den Handrücken, süßlich lächelnd, meckernd, jammerte leise.
Der Kanzler wackelte lang und knickrig die beiden Stufen zu dem Schreibschrank hinauf, seufzend trat er ein, spielte mit der Papierschere am Tisch. Es war Mißtrauen, was der Fürst äußerte; innerlich fieberte der Alte. Es sollte niemand daran teilnehmen. Ungeheuer war der Geiz des ehemals lustigen Mannes gestiegen, was er nicht in Diamanten und Kuriositäten anlegte, versteckte er in Eisenkästen und Kisten, die er auch in Gärten vergrub. Er klagte über jeden Gulden, den er für Ausbesserungen des Schlosses, neue Livreen ausgeben mußte. Ganz unfürstlich hatte er vor einigen Jahren seine Gemahlin begraben lassen, nachdem er sich nicht gescheut hatte zu erklären, solche Bestattung sei ihr Wunsch gewesen, der Wunsch der Fürstin, die unter seiner Habsucht und Nörgelei allmählich erstarrt war in dem stillen Neuburg und noch einmal wenig aufgelebt war nach der Vermählung des
Weitere Kostenlose Bücher