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Wallenstein (German Edition)

Wallenstein (German Edition)

Titel: Wallenstein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Döblin
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einzuberufen zur Königswahl. Im übrigen dem Herzog freie Hand zu lassen, wie man es bisher getan hat. Weigern sich die Kurfürsten, den jungen Ferdinand zu wählen, so nimmt der Kaiser dies zur Kenntnis, wie er anderes zur Kenntnis genommen hat. Aber ignoriert es.«
    »Liebster«, legte sich Trautmannsdorf vor, »wie kommt Ihr zum Ziele. Der junge König von Ungarn wird nicht Römischer Kaiser vom Ignorieren.«
    Still legte Slawata beide Hände in den Schoß, senkte den Kopf, seine braune Haut wurde blasser, seine Augen funkelten einen Moment, bevor sie sich auf die Finger richteten: er schob Silbe um Silbe zwischen den Zähnen durch und stellte die Gegenfrage an alle Herren, was wohl dann geschehe, wenn der Kaiser dem Herzog von Friedland freie Hand wie bisher lasse und die Kurfürsten die Königswahl ablehnten; die löblichen Kurfürsten können belfern und keifen, die Zähne sind ihnen ausgebrochen!
    Rasch wandte sich Slawata mit einem eigenartigen Lächeln an Trautmannsdorf, das sei der Streit auf der Höhe und – er flüsterte – noch mehr: der Sieg Habsburgs auf der Höhe. Vielleicht ernenne dann der Kaiser den neuen König.
    Stralendorf donnerte mit der Faust auf den Tisch, zitterte am ganzen Leib, blickte mit verzerrten Mienen gräßlich auf den böhmischen Grafen; der Bucklige warf sich bewundernd, den Mund offen, den Kopf schüttelnd, hin und her im Sessel; der dicke Questenberg blies mit menschenfresserischen Grimassen glücklich unter seinen struppigen Schnurrbart, saß geschwollen, glotzäugig, als hätte ihn einer gestreichelt, am kurzen Quertisch. Stralendorf japste: »Das nennt Ihr das Y und X im friedländischen Abc. Wir sind erst in der Mitte. Kurfürsten ohne Kur ist noch lange nicht das letzte, den Römischen König schüttelt er so aus dem Ärmel, wie er die Mecklenburger Herzöge verjagt hat; dann kommt – der Kaiser selber. Wer soll den wählen, als derselbe einzige Kurfürst – Wallenstein. Herr Slawata, Ihr dachtet auch einmal anders über Euren Vetter. Dann kommen die Schwerter gegen den Geheimen Rat, dann ist das Abc zu Ende.«
    Questenberg knurrte bissig gegen ihn her: »Will man uns den Braten versauern, soll es doch nicht gelingen. Kommt sein Schwert gegen uns, so wird es sich nur bestimmte Hälse suchen.« »Es wird sie suchen, Herr Questenberg, Euren und meinen, wie die liebe Sonne, die über Gerechte und Ungerechte scheint.«
    Ganz unhörbar hatte Eggenberg seinen Stuhl zurückgeschoben; lautlos klemmte er seine ungehefteten Faszikel unter den Arm, stieg hinter der Stuhlreihe auf Zehen vorbei. Wie ihn Trautmannsdorf, sich umwendend, anstarrte, bei der Hand faßte, wehrte er ab; es gelang ihm weiterzugehen, bis der Querbaum der Questenbergschen dicken kurzen Arme sich vor ihn legte. Hans Ulrich schien seinen Gram beiseite tragen zu wollen. Leidend bat er Questenberg: »Lieber, laßt mich.« Sie standen um ihn; er blieb einsilbig dabei, wolle gehen.
    An dem kleinen Treppengeländer bedrängten sie den freundlich behäbigen Fürsten, der den Kopf schüttelte: »Wir werden uns alle besinnen müssen. Wir werden unsere Gutachten schriftlich vorlegen. Die Zeit drängt. Der Kaiser wird eine höhere Instanz um Einsicht bitten müssen. Das ist alles.« Was der Verwachsene, der seine Einfälle nicht zügeln konnte, nicht gefährlich fand; es sei schließlich allemal das beste und das letzte, den lieben Gott um Einsicht zu bitten; sie seien, lächelte er fast frivol, ja nicht verpflichtet, als Geheimer Rat den Himmel überflüssig zu machen. »Wie denkt Ihr, Slawata?« Eggenberg wollte sich mit kurzem Nicken verabschieden, da drückte ihn Questenberg auf einen Stuhl, setzte sich neben ihn. »Weh unserm kaiserlichen Herrn«, stöhnte matt zusammenfassend Eggenberg, »er wird sich verlassen sehen von uns allen, mag der Schutzgeist Habsburgs ihn nicht vergessen.« Und bezwungen von seinem Gefühl kniete er, Hut und Faszikel vor sich auf die Diele legend, neben seinen Stuhl hin, betete, während auch die andern die Köpfe senkten, das Rosenkranzgebet. Sie bekreuzigten sich, standen nebeneinander. Auf der kleinen Treppe Eggenberg: »Habsburg hat eine schwere Stunde vor sich. Was war es für ein Geist, der unserem gnädigen Herrn dies eingegeben hat, an sein Ende zu denken und die Nachfolge zu bestimmen. Ich weiß es nicht. Ich kann nicht bei euch bleiben, liebe gestrenge Herren.«
    Slawata, mit Trautmannsdorf und Questenberg allein, sanft höhnend: »Der Kaiser schütze sich vor seinen Freunden.

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