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Wallenstein (German Edition)

Wallenstein (German Edition)

Titel: Wallenstein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Döblin
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feierlich strengen Tracht an das Tischchen, die sie in Regensburg immer trug. Dann hörte sie zu, fragte abwesend, von wem die Rede sei, begehrte erregter und mit einem dunklen Blick den Franzosen kennenzulernen. Ferdinand lächelte schwer: »Du wirst sehen, er redet dir die Gedanken aus dem Hirn; man hört ihn besser nicht oft.«

    DIE BESPRECHUNG der kurfürstlichen Forderungen in der Wohnung des erkrankten Grafen Stralendorf – zugegen war neben anderen auch der junge König Ferdinand – erhielt durch das unangemeldete Erscheinen und das Eingreifen der Majestät einen sehr ernsten Charakter. Die pointierte sächsische Schrift mit ihrem Jammer. Das unter lautloser Stille von Doktor Frey vorgelesene gräßliche Register des Herzogs Bogislaw von Pommern, vierundfünfzig schauerliche Punkte dem Mehrer des Reichs vorgetragen, von Eltern, die das Fleisch ihrer Kinder verzehren, von Leichen im Lande, die ungekochtes Gras im Munde hatten. Der Kurbrandenburger: zwanzig Millionen Gulden seien seinem Land erpreßt. Die ligistische Schrift endend: »Nachdem die Reichsfeinde, der Pfalzgraf, Mansfelder, Halberstädter, Baden-Durlach geschlagen, die dänische Armada zerstreut, fast kein Feind mehr vorhanden ist, hat man einen Feldhauptmann ohne Vorwissen und Einwilligung der Stände, ohne Geldmittel mit einer so ungemessenen absoluten Gewalt ins Reich verordnet, daß er nun alles nach eigenem Gutdünken regelt.«
    Der junge König: »Wenn es richtig ist, was eine Schrift besagt, es seien von Friedland zweihundertvierzig Millionen Reichstaler an Kontributionen erhoben, so wird man den Herzog um Verrechnung ersuchen müssen. Wohin sind diese Summen gekommen? Sind sie wirklich nur zur nötigen Abfindung des Heeres und der Obersten benutzt und wer hat von ihnen profitiert?«
    Peinliches Stillschweigen. Stralendorf: »Das Gefährliche der Vorgänge liegt in der Verbindung der katholischen mit den protestantischen Kurfürsten.«
    Der Kaiser: »Sie kommen mir mit Dingen, an denen jeder Erwählte Römische Kaiser zu beißen hat. Das Reich führt Krieg, man gewährt ihm keine Mittel. Der Ächter Friedrich hat das Reich angegriffen, man hat mir keine Mittel zur Gegenwehr gestellt. Der Herzog nimmt, was mir zusteht. Sind Vergehen vorgefallen, werde ich Strafe vollziehen lassen.«
    Trautmannsdorf: »Das Reich bequemt sich zur Ordnung. Es ist ein Unverstand, mit Sätzen zu kommen wie: Kontributionen nur durch die Kreise. Daran scheitert der Krieg.«
    Der Kaiser griff seitlich nach den beschriebenen Bogen, warf sie auf den Boden: »Sie wollen kaum ein Reich. Jammern zum Schein. Sie wollen das Reich nicht.«
    Der junge Ferdinand: »Wozu aber wählen sie einen Kaiser?«
    Der Kaiser: »Sie tun es noch heute und morgen. Eines Tages werden sie versuchen, es nicht zu tun.«
    Leise Trautmannsdorf: »Der Herzog zu Friedland war vielleicht zu stark. Man empfehle ihm größere Behutsamkeit.«
    Graf Stralendorf begründete angesichts der Erbitterung Ferdinands vorsichtiger als sonst die Fürstenlibertät, warnte davor, den ganzen Reichskörper gegen das Oberhaupt sich einen zu lassen; es sei schon nicht mehr die Frage nach der Wahl des jungen Ferdinand, sondern nach dem Abfall aller Kurfürsten vom Reich; er glaubte, historisch kommen zu müssen, sprach vom Beispiel Karls des Dicken, Heinrichs des Vierten, Wenzeslaus’.
    Am Tisch sitzend mit bald gelangweiltem, bald drohendem Gesicht Ferdinand: »Ich habe nicht vor, den Herzog fortzuschicken. Man wird mich durch alle Treibereien nicht irremachen.«
    Trautmannsdorf: »Danach ist ein Riß wahrscheinlich.«
    Der Kaiser ließ die Augen aufleuchten, lächelte den Grafen warm an.
    Der Geheimsekretär: »Welche Antwort soll formuliert werden auf die Replik der Kurfürsten?«
    Die Herren durften sprechen.
    Stralendorf: »Hinhalten. Wenn der kaiserliche Standpunkt so bleibt, versuchen, die Kurfürsten zu drücken, sie auf die Unmöglichkeit ihrer Forderungen hinweisen, die Erfüllung des Möglichen zusagen.«
    Trautmannsdorf: »Die Majestät wird sich den Eingriff in ihre Autorität und Präeminenz verbitten. Die Schuld für einen Riß muß von vornherein der kurfürstlichen Maßlosigkeit zugeschoben werden.«
    Der Kaiser dankte. Nach langer scheinbarer Besinnung dankte er nochmals; es sei besser, auf diese Replik nicht zu antworten. Er antworte nicht. Er gäbe den Kurfürstlichen Durchlauchten, die in einem Jähzorn gehandelt hätten, Zeit, sich zu besinnen.

    IN DAS Refektorium der Kartause wurde eines

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