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Wallenstein (German Edition)

Wallenstein (German Edition)

Titel: Wallenstein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Döblin
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tief entblößten Schultern, so einfach, als stiegen sie eben aus dem Wasser mit ihrem glatten, am Hals sich lockenden Haar; weißes und rosa Leuchten der Übergewänder; über den Knien wichen die Oberstoffe rückwärts; golddurchwirkte Untergewänder mit hingehauchten Blumen wurden von den Bewegungen angestrafft, in weißen Schuhen bewegten sie sich leicht und völlig graziös. Es waren die Welschen, die von Grenoble vor drei Wochen aufgebrochen waren, über Solothurn, Konstanz Ulm erreicht hatten, zu Schiff anlangten. Sie fanden Quartier bei der Grube. Herr von Brulart führte sie; der braune kuttige Kapuziner, der ihn begleitete, schmalschultrig, kurzsichtig, blaß, mit einer starken Nase, war der Pater Joseph, François le Clerc du Tremblay, die Seele des Kardinals Richelieu. Sie mischten sich unter die andern. Kavaliere und Damen küßten sich, wenn sie sich begegneten, auf den Mund. Sie hatten viel Berührung mit dem bayrischen Hofstaat, aber auch mit den vier sächsischen Herren und ihrem Anhang.
    Trautmannsdorf forschte Brulart aus über den Grad der Einheit in der französischen Nation, welchen Stämmen die mitgebrachten Kavaliere angehörten. Der Welsche fand die Frage erstaunlich: »Eine Nation hat in unserem Königreiche keinen Platz. Franzosen sind die Leute, die dem Allerchristlichsten König Ludwig untertan sind. Bisher hat keine Regierungsakte Kenntnis von dem Wort Nation oder Volk genommen. Und ich wüßte nicht, wovon ich reden sollte, wenn ich französische Völker oder Stämme sagte; mit König Ludwig ist alles gesagt.«
    »Man würde hierüber im Reich klagen, der Deutsche würde gleich den Verlust seiner Freiheit argwöhnen.«
    »Es ist ja nichts ehrenvoller«, zog der Welsche die Augenbrauen hoch, »als dem König leibeigen zu sein. Wenn am Himmel die Sonne scheint, so nimmt alles freudenvoll die Helligkeit und die Farben der Sonne an; die Franzosen werden königlich; jedem ist, als ob das Auge des Königs auf ihm liegt, er bemüht sich, ihm zu gefallen. Er sieht seine Kleider, die Tracht des Hofes, hört den Ton des Gesprächs. Hat es ihm geschadet? Es scheint, als ob uns fremde Völker nachahmen.«
    »Oh, man achtet auf Eure Kavaliere und Damen; ich fürchte, man wird noch schärfer auf sie achten müssen.«
    Stolz der Franzose ablenkend: »Man achtet überall auf die Art Ludwigs. Man wird seine Sendboten überall mit Freude aufnehmen.«
    Brulart und Pater Joseph wurden in der mantuanischen Sache vom Kaiser empfangen, ihre Legitimation war nicht vollständig, der Kaiser wollte dennoch sehr gnädig verhandeln. Pater Joseph durfte in Gegenwart des großen Lamormain lange zu ihm von geistlichen Dingen sprechen. Man redete über das Mysterium des göttlichen Erdenwallens; Père Joseph, hinreißend sich ergehend, war in seinem Fach. Er drang auf Vereinigung der Seele mit Gott, ihr Eintauchen und Plätschern in Gott; alle irdischen Leidenschaften, die sich zwischen Gott und uns stellen, müßten abgelegt werden, die Liebe müßte den Verstand lehren, ihn im Gehorsam und der Demut des Glaubens gefangen halten, die Liebe müßte den Verstand zwingen, zu glauben, was er nicht sieht, zu bewundern, was er nicht versteht. »Immer muß man an die Taten des Heilands denken, seine Göttlichkeit durchleuchten sehen, ihn umarmen in seinem Wesen. Man muß den Mund nicht gemein öffnen, als wenn man essen will, muß nicht demjenigen gleichen, der lange hastig gelaufen ist nach einem Ziel, das er zu erreichen strebt, und der ganz außer Atem ist. Nicht öffnen den Mund, wie um zu essen, innere Süßigkeiten zu empfangen, nicht sich erholen wollen von innerer Erstickung. Das ist Notdurft, Zwang, das ist nicht vollkommene Gottesliebe. Man muß herausstoßen aus sich das Leben der Eigenseele. Aufeinander der Mund Gottes und unser Mund, um die Seele fließen zu lassen über die königliche Tür seiner Lippen.« Oft wiederholte er auf Fragen Lamormains: »Einschlummern im Dunkel des Geistes und der Natur.«
    Ferdinand hielt Lamormain bei sich fest; was er von dem Kapuziner hielte; er selbst müsse als Tölpel gestehen, er besitze so geringen Verstand, daß er keines Zwanges mehr bedürfe, um zu glauben; wie groß müsse der Verstand des Père Joseph sein, daß er solcher Gewalttätigkeiten bedürfe, und vielleicht auch wie ungläubig sei der Père. »Welch ein Glaube«, staunte er dann wieder, »dieser Mund Gottes, dieses Begeisterte, Absonderliche.«
    Eleonore wurde gerufen; sie setzte sich erst kalt in der

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