Wallenstein (German Edition)
anfahren. Man baute die Fundamente für ein großes Aquarium, eine Schauspielbühne. Alchimisten aus Wien wurden eingeladen; der alte polnische Taschenspieler und Alchimist Sendiwoj von Skorsko, ein Günstling Kaiser Rudolfs, schweifte an. Die Lust am Bankettieren wurde rege. Und nun erst kamen die Prunktafeln zu Ehren, die die Stadt im Bischofspalast und in der Abtei der Kartause Prüll aufgestellt hatte. Die schmetternden Musikkapellen ritten hinaus an der Spitze des Hofes.
Die Kurfürsten wurden nacheinander eingeladen; sie erschienen herausfordernd, in ärmlichem Aufzug, Ferdinand pokulierte mit ihnen vor dem ganzen Hofe. Er ignorierte ihre steifen widerspenstigen Manieren.
Und nach langen Bemühungen, zahllosen Sonderkurieren glückte es ihm, den Herzog von Friedland herüber nach Regensburg, in seine neue Residenz, zu ziehen. Die Stadt schwang vor Erregung unter der Ankunft des Feldherrn. Zweihundert bis auf die Zähne bewaffnete Leibwächter eskortierten ihn. Der Weg wimmelte von leichten Kroaten; eine leere kaiserliche Prunkkarosse empfing ihn am Tor. Erstorben die Stadt, die geistlichen Herren in ihren Quartieren; die Welschen lachten höhnisch. Wie Eroberer zogen die Friedländischen ein, einen halben Tag dauerte der Besuch. Ferdinand zeigte dem Herzog seine Anlagen, schmauste mit ihm. Zur Linken des Generals saß der glückberstende fette Herzog von Doria.
Die Jesuiten beschlichen den Kaiser im Bischofspalast. Zu ihrer Verwunderung wurden sie vom Kaiser mit großem Verlangen angenommen; sie glaubten, er sei weich geworden durch die Flucht der Mantuanerin; er ließ sich stundenlang von ihnen erzählen, was sie wollten, ruhte unter ihren Gesprächen aus. Sie stellten fest, daß er nicht gequält wurde durch das, was sie vorbrachten. Er schien sich unter ihren Sätzen gesättigt und dankbar zu strecken; stärker und gelassener erhob er sich von diesen Gesprächen.
Dann setzte sich langsam, fast hoffnungslos der große Lamormain in Bewegung. Es konnte nicht sein, daß er den Gehorsam verweigerte; die Welt konnte untergehen, das Befohlene war zu vollziehen. Er kannte, wie er, seinen viereckigen Hut haltend, stockgestützt vor Ferdinand stand, nicht den Kaiser Ferdinand, den Papst, den Pater Lamormain; die vier Gelübde hatte er abgelegt, seine Mission erfüllte er, der eisern konstruierte Apparat. Bitter hatte er sich bei seinem abirrenden Spaziergang dem Dunstkreis der klingelnden jubelnden Stadt wieder genähert, die Sommerzelte der Dienerschaften passierte er, kleine Truppenbiwaks, Massen von Herden, Heuwagen. Bitter näherte er sich dem weithin abgesperrten Bischofspalast. Er atmete beim Anruf der ersten Wachen auf; als wenn eine Kapsel in ihm aufsprang und sich wieder schloß, war ihm; noch starrer zog er sich hoch, streckte sich in seinem gewaltigen Leib.
Er prüfte im Beichtstuhl den Kaiser, sein Hochmut war sicher, läßliche Sünden traten hervor; er bestrafte ihn mit nächtlichen Bußen. Ferdinand, noch schwach von seiner Krankheit, bat um Nachlaß; der Pater schlug es ab. Als nach einigen Tagen Ferdinand, weißer als sonst, aber aufrecht, lächelnd gemahnt hatte, er hätte auf diesem Kongreß große Aufgaben zu lösen, er fürchte, ihnen nicht gewachsen zu sein, beschied ihn der Pater, ob er meine, die Aufgaben gegen den Himmel ließen einen Aufschub zu und die Pflichten gegen den Kongreß seien belangvoller als die gegen Gott. Auch er sah zu seiner Verwunderung, daß der Kaiser, obwohl ihm die Ausführung der Bußen schwerfiel, sich in sie demütig, zustimmend einfand, ja sich ihrer bemächtigte und durch sie in nichts erniedrigt werden konnte. Lamormain, an dem Kaiser tastend, fand einen andern Menschen vor als den, den er nach dem Münchener Unglück unterworfen hatte. Sein Erstaunen über diesen Menschen war so groß, daß er eine Unruhe in sich fühlte, öfter den Wunsch hatte, mit dem scharfen Lessius über die schreckliche Sachlage zu sprechen, wenn er sich nicht geschämt hätte und ihm nicht klargeworden wäre, daß er nur zu gehorchen hatte.
In der Kirche der Jesuiten wie im Kloster sah man niemand um diese Zeit so lange sitzen und beten als den grauen riesigen Pater Lamormain. Wie ein Kind, das nach langer Abwesenheit reif und klug und überraschend schon zurückkehrt, oder wie ein Kirschbaum, der nach einem Mairegen plötzlich sich in einen weißen lieblichen Blütenträger verwandelt, so war dieser Habsburger geworden und gegen diese Zartheit sollten Waffen erhoben werden. Der
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