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Wallenstein (German Edition)

Wallenstein (German Edition)

Titel: Wallenstein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Döblin
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Es ist mir eine Wohltat, Eure Seele diese Dinge berühren zu sehen.«
    »Ich weiß, daß es mein Amt ist, Eure Seele zu führen. Wenn ich lange schwieg, – so geschah es, um Euch nicht zu betrüben.«
    Der Kaiser bat, er möchte weitersprechen. Der Pater, sich zusammenkrampfend, nahm einen Anlauf. Er öffnete den Mund und ließ es schnurren. Wie die Worte klangen. Er hörte sich wie ein Fremder zu. Er schämte sich und blickte nicht auf. Was war ihm aufgelegt. Es sei nicht viel zu sprechen. Diese grauenvolle Verwüstung in Deutschland, diese Schrecken, die sich über die Alpen wälzen, Zwist im Reich, der Kaiser einsam: man müsse betrübt sein, wenn man an christlichen Frieden denke.
    »So ratet, Pater. Ich habe nicht gelacht über diese Zeit.«
    »Frieden. Frieden. Der Heiland, als er noch auf Erden wandelte, hat gesagt: Gebet Gott, was Gottes ist. Man redet zu viel: Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist. Davon sind die Gassen und Plätze voll. Wer den Lärm in der Welt hört, denkt wohl an das Wort: Des reifen Getreides ist viel, der Arbeiter aber sind wenige, bittet den Herrn der Ernte, daß er Arbeiter auf sein Erntefeld schicke.«
    Die Fältchen an Ferdinands Augenwinkeln zitterten, er drückte die Handteller zusammen, in der Ecke der Bank sitzend: »Ratet, Pater.«
    »Du wahnsinniger Mensch«, schrie der Pater sich innerlich an, »du schlimmer Mensch. Du kannst dich nicht so schänden. Bruder Lamormain, der Heilige Vater denkt schlecht von uns.«
    »Gebt mir Antwort, Majestät, wie Ihr selber hierüber denkt.«
    Da wurde Ferdinand, nachdem er dem Pater einige Zeit in die blitzenden Räder gestarrt hatte, unruhig, stand auf: »Ich hab’ es Euch gesagt, man soll mich nicht für einen Gewaltherrn und römischen Cäsar verschreien.«
    »Wenn Ihr kein Gewaltherr sein wollt, so ist es Euch bitter ergangen, daß alle Welt Euch verkennt und Euch für nichts als dies, für nichts als dies ansieht. Und wenn Ihr das weltliche Papsttum gründen wollt, so wird es wohl auch Euch bedünken, daß im Augenblick die Welt sehr anders blickt: aus Augen voll Grauen. Wie wollt Ihr dies vereinen: so mächtig dazustehen, daß man Euch wahrhaft Kaiser nennen muß, und so wenig das zu können, was Ihr wollt. Seht, nicht einmal soviel wie die Herrscher vor Euch, die viel schwächer waren.«
    Dies mußte Lamormain alles sagen und hinlegen.
    »Pater, der Heiland hat dies gesagt, was Ihr nanntet. Er hat aber auch gesagt, was Ihr selbst uns gepredigt habt, daß er nicht nur gekommen sei, Frieden auf Erden zu bringen, sondern Vater, Sohn, Mutter, Tochter und Schwieger gegeneinander zu erregen.«
    »Wohl, so spricht Lukas: Zwietracht. Um das himmlische Feuer auf die Erde zu werfen.«
    Ferdinand legte sich halb auf der Bank zurück; er sagte nichts. Nach einer langen Pause Lamormain: »Eure Majestät schweigt.«
    Tonlos: »Ihr seht, daß ich schweige.«
    Wie sich Ferdinand wieder zwischen den Teppichen zurechtgeschoben hatte, rieselte seine tonlose langsame Stimme: »Worauf sollen wir hinaus?«
    »Es scheint, als ob Ihr etwas Irriges gemeint habt bis jetzt. Ihr glaubtet –«
    »Ja, war ich kein Christ?«
    Vor diesem weißen Blick, dieser langsamen erschütternden Stimme fand der Pater lange keine Antwort. Dann legte er viele Wärme und Herzlichkeit in seine Sprache und mußte sich sehr bezwingen, um sich nicht völlig bewältigen zu lassen: »Ihr wart die langen Jahre mein Beichtkind, Majestät; Ihr wart ein guter katholischer Christ. Als ich die kirchlichen Wünsche Eurer entschlafenen Gemahlin, der seligen Maria Anna, durchführte, bin ich Euch gefolgt in Eurer Gottesfurcht.«
    »Seht Ihr Maria Anna an. Würde ich mit ihr so lange glückliche Jahre haben leben können ohne den rechten Glauben.«
    »Ihr wart fromm.«
    »Was ist?«
    »Ich mache dem Menschen Ferdinand von Habsburg keine Vorwürfe. Der Römische Kaiser, der Deutsche König Ferdinand der Andere glaubte sich rühmen zu können, ein Nebenbuhler des Papstes zu sein. Inzwischen glaubt es niemand, sieht es niemand. Die katholischen Kurfürsten selber stehen gegen ihn.«
    Er legte all das fragend hin; ein Wind hätte gegen ihn blasen können, und er wäre verstummt. Aber Ferdinand drängte zart immer weiter.
    Nachdem der Kaiser sich fest mit dem Rücken gegen die Banklehne gedrückt hatte, schlug er mit mildem Ausdruck die Arme über der Brust zusammen, blickte mit zusammengezogenen Mienen auf die Gegenwand: »Indem mir dies Amt überkommen ist, habe ich es übernommen, die

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