Wallenstein (German Edition)
vor den Kurfürsten oder – niemand faßte sich das Herz – die Kroaten herrief, damit sie das Kollegium aufhoben, die Kurfürsten gefangennahmen. Sie barmten und fluchten. Der Bayer hielt die Kurfürsten eisern gefesselt; sie mußten bleiben. Er ließ sie täglich durch den Brabanter Grafen besuchen, kontrollieren; die geistlichen Herren bemerkten, ohne es gegeneinander auszusprechen, daß sie die Wahl hatten, Gefangene des Kaisers oder des Wittelsbachers zu sein. Sie besprachen sich, um sich aus ihrer Lage zu befreien, mit dem päpstlichen Legaten Rocci, der ihnen die sicherste Gewißheit geben wollte, daß in Kürze, in nächster Kürze alles zum Guten gewendet werde. Einzeln und gemeinsam fragten sie beklommen den Franzosen nach seiner Auffassung. Er versicherte sie der innigsten Teilnahme des französischen Königs, der sich überall der Unterdrückten annehme, wie es Christenpflicht sei; sie flehten ihn in aller Heimlichkeit an: ob sie sich auf seine Hilfe verlassen könnten.
Brulart hatte inzwischen noch einen andern Gast: den Pfälzer Vertreter Rusdorf, der mit einer kleinen Begleitung eingetroffen war. Rusdorf sah sich neugierig in dieser Umgebung um, bemerkte zu seiner Verwunderung, daß die gehaßten Bayern ihm freundliche Worte gaben. Er attachierte sich an die welsche Opposition. Marquis de Brulart und Pater Joseph berichteten ihm mit Vergnügen von der Unordnung im deutschen Lager; Rusdorf tuschelte entzückt geheime Neuigkeiten von dem Schweden: »Drängt sie nicht, Exzellenz. Laßt sie zanken: warum wollt Ihr Wallenstein verjagen? Laßt Wallenstein und Tilly sich gegenseitig die Köpfe einschlagen. Inzwischen trifft der Schwede ein.« Entzückt schrieb Rusdorf nach dem Haag von der kostbaren deutschen Situation; die Geier schlügen sich um die Beute, einer wolle dem andern an den Leib. Er säße mit den Franzosen behaglich dazwischen; sie keiften rechts, wimmerten links, hetzten weidlich, daß der Satan dabei grunze.
Die Ankunft des jesuitischen Abgesandten fiel in der Stadt nicht auf. Schwallartig füllten sich zu bestimmten Stunden Gassen und Plätze zu Andachten Märkten Gerichten Komödien. In den Hallengängen der einstöckigen Häuschen lungerten Händler vor ihren Auslagen, hielten Passanten fest. Fürkäufer, die vor den Toren den Bauern die Ware abgekauft hatten, wurden vom Büttel getrieben. Unter den zu- und ablaufenden Fremden vor den Gasthäusern walteten die städtischen Gewaltboten mit Visitationen Inquisitionen. Die Leibwachen der hohen Fürsten patrouillierten mit Hellebarden nahe ihren Herbergen, verjagten Krüppel und Bettler. Morgendlich fuhren sehr langsam in Prachtkutschen sechs- und zehnspännig die Herren in die Kirchen. Die Spieße der Berittenen vorauf und hinterdrein; der Kaiser in die Pfarrkirche zu Unserer Lieben Frau, auf deren reichem Altar ein Beutestück prangte: das goldene Marienbild, auf der Brust ein Herz aus Rubin geschnitten; die Hoheiten und Durchlauchten und ihr Gefolge bei den Augustinern, Barfüßern, im Spital. Neben den Kutschen zu Fuß die Geistlichen, durch den tiefen Kot, zwischen den gakkernden Hühnern, manchmal getriebenem Vieh ausweichend. Bischöfe, Domherren, Kapläne, Vikare, die schwarzseidenen Hüte quastenschwenkend rechts und links, violette Hüte. Priester schwatzend in schwarzen Soutanen, weißen Chorhemden, auf dem gesenkten Kopf das schwarze Sodalenkäppchen. Schwärme von eiligen Chorknaben in weißen Umhängen, klappend mit ihren Rosenkränzen. Gelegentlich durch das Geschrei der Zuckerküchler Kesselflicker Kaminfeger in offener Sänfte ein schwarzäugiger Kardinal; den breitrandigen flachen Hut mit mächtigem Quastenbehang trugen Diener voraus; er selbst blickte mit runzligem Gesicht um sich in purpurner Soutane.
Sie beschlichen ihn im Bischofshof, die Jesuiten, Dominikaner, Franzosen, Spanier. Durch einen gewaltigen Schwung, den der Kaiser sich gab, bekam das Leben an seinem Hofe einen prächtigen geräuschvollen Zug. Als wollte er zeigen, wer er war, schüttelte er den Druck, der auf ihm und seiner Umgebung lag, ab, begann in Regensburg zu residieren, als hätte er vor, hier jahrelang zu hausen. Zu den ungeheuren Massen von Bedienten mußten noch Baumeister Tapezierer Maurer Schreiner und andere Gewerke aus Niederösterreich herüberkommen, eine Zahl Nachbarhäuser, die der Magistrat dem Hof vermietet hatte, für seine Zwecke herrichten, als Gemäldegalerie, Kunstkammer, astrologisches Kabinett. Er ließ sich seine Vogelsammlung
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