Wallenstein (German Edition)
werde; Leute müßten es sein, die innerlich wie äußerlich untadelige Katholiken seien. »Ich habe es darin gut getroffen; wie haben mich Gregor und Gretser geführt; dann Pater Becanus, mein würdiger entschlafener Beichtvater, Dominicus a Sancta Maria, der nun auch in Gott ruht. Nun habe ich Euch, Pater Lamormain. Ich sehe auf Schritt und Tritt, daß Gott mich segnet.«
Lamormain, sein krankes Bein ausgestreckt, saß gebeugt und verwirrt auf der Truhe. Das Trillern der Studenten, Rufen der Hatschiere klang herein. Er hätte, brachte er leise hervor, das Amt eines Beichtvaters des Kaisers zögernd angenommen; hätte in Ruhe im Coemeterium des heiligen Kalixtus Ausgrabungen gemacht von heiligen Leibern, die den Jesuitenkollegien Schutz und Segen geworden seien; am Schluß der Romreise, wo er den achten Urban gesprochen hätte, den er schon als Kardinal Barberini kannte, hätte er seine acht Exerzitien gemacht, um sich den Studien und der Lehre der Syntax und Rhetorik zu widmen: da bestimmte ihn der Pater Vitelleschi zum Beichtvater; eine große Auszeichnung und ein schweres Amt, einen Fürsten geistlich zu führen, eine Aufgabe, die man kaum bewältigen kann. Es gab einen frommen Pater Claudius, der fünfte General der Gesellschaft Jesu, der schrieb aus dem Drang seines Herzens und seiner Besorgnis einen Beichtspiegel für die Geistlichen der Fürsten, und überließ letzten Endes doch alles sich selbst. Denn wo soll man im Leben eines Herrschers zwischen Politik und geistlichem Gebiet scheiden.
Ferdinand, halb liegend, den Kopf über den verschränkten Armen, hörte aufmerksam zu. Er redete, sich oft mit Lächeln unterbrechend und eine Antwort des Paters abwartend. Vielleicht sei es nicht unzweckmäßig, was jener Beichtspiegel den geistlichen Beratern empfehle; er bedaure, daß ihm dies gewiß sehr interessante Buch nicht zugänglich sei; aber es gäbe sicherlich genug Fürsten, die grausig eigensinnig seien; sie erinnerten ihn an Narren, die ein Bein mit einer Menschenhose bekleideten, das andere mit Vogelfedern und Krallen. Er sei nicht mehr jung genug zu solchen Scherzen oder sogenannten strengen Trennungen; ja, es freue ihn, daß Lamormain erkenne, wie schwierig, wie unmöglich die Trennung von Politik und geistlichem Gebiet sei. »Denn seht, Pater Lamormain, wozu haben wir die langen Jahre in Ingolstadt verbracht und warum hat man uns so unsäglich behütet vor der Ansteckung der Ketzerei: nur damit wir fleißig und sorgfältig zur Messe gehen, zur Vesper, beichten? Es hätte dazu der großen Mühe nicht bedurft. Ich bin kein Kaiser von der Art der grimmigen Salier, Ihr entsinnt Euch, die gegen die Päpste Sturm liefen. Was will man eigentlich. Die Masse des Lebens, auch des politischen, mit dem Geiste der christlichen Kirche durchdringen: eine größere Aufgabe kann ich mir nicht denken.«
»Eure Majestät haben mir meine Aufgabe nie schwer gemacht.«
Ernst flüsterte der Kaiser, einen Finger hebend, gegen Lamormain, ganz hochgestützt: »Pater, ja ich muß Euch verraten, was ich schon bisweilen geträumt habe, in jüngster Zeit. Daß wir Nebenbuhler sind, der Papst und ich. Aber anders, als man es sonst meint. Ich meine im Geistlichen. Ich bin nicht sein Vogt, sein Schwert. Ich will die Kirche nicht neben mir haben, darum habe ich die Jesuiten zu mir gerufen, so viele sollen kommen, als erzogen werden, sie sind besser als Soldaten für mich. Das Heilige Reich muß selbst eine große Kirche sein.«
»Der Heilige Vater würde sich sehr freuen, eine so fromme Gesinnung von Euch zu hören. Er weiß, welche Hilfe die Vorsehung ihm in Euch gegeben hat.«
»Und Ihr, Pater, was denkt Ihr über die schwebenden Dinge? Ihr haltet so zurück. Mißtraut Ihr mir – noch immer.« Ferdinand lächelte ihn an. Lamormain senkte den Kopf. Ferdinand leise, fast zärtlich: »Ich bin Euch ja zu so vielem Dank verpflichtet.«
»Es ist die Furcht oder die Beklemmung, sich auf einem Wege zu sehen, von dem man nicht weiß, ob man ihn mit Recht betritt.«
Erregt drehte sich Ferdinand gegen ihn, die Arme hebend: »Ich kenne solche Wege nicht, die ich gehe und die Ihr nicht gehen dürft. Ich habe es Euch gesagt. Ich will sie nicht kennen.«
»Warum wollt Ihr mich hören?«
»Seht, Pater Lamormain, ich will mir nicht unrecht tun. Ich brauche Euch nicht, weil ich unsicher bin oder weil ich mich fürchte. Aber ich – habe Euch hier, Eure Stimme ist mir wie eines Vaters. Wollt Euch nicht zurückhalten, versagt Euch mir nicht.
Weitere Kostenlose Bücher