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Wallenstein (German Edition)

Wallenstein (German Edition)

Titel: Wallenstein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Döblin
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sitzend ihr zuredete, nach, was sie mit diesem Mantua hätte; es könne doch nicht Mantua sein. Wie er vom Kaiser sprach, rauschte sie mänadenhaft auf, feindselig schlug sie die Fäuste gegeneinander, ohne mehr zu rasseln als: »Er, er, er«, stürzte vor seinem Blick wieder wie abgebrochen hin.
    Er riet ihr, ihren Scheitel berührend, eine Weile Regensburg zu verlassen. Nach einer Weile war sie ruhiger, drehte sich noch kniend nach der Dienerin um, wies sie kurz hinaus. Sie trocknete sich das Gesicht ab, ging zu seiner Verwunderung zum Fenster, bat, die Läden zu öffnen. Da atmete sie ihre Brust ruhig. Sie war ganz die Kaiserin Eleonore, schien keine Scham über ihren Zustand zu haben, erwog sanft und ehrerbietig mit ihm die Lage. Der Welsche genoß verschwiegen und entzückt ihre hüllenlose Gelassenheit; sie bewegte sich keusch vor ihm, als wäre er das Wasser, in dem sie badete. Sie sollte Regensburg und den Kaiser verlassen, bis er von seinem sündhaften Vorhaben abgegangen wäre. Ohne Trauer, sicher, mit gesenkten Augen, verabschiedete sie sich von dem Priester, der das Zeichen über sie machte.
    Vier Tage darauf wurde Ferdinand, als er nach ihr schickte, zugetragen, daß sie und ihre Kämmerin nicht zu finden seien. Er las in ihrem leeren Empfangssaal, in dem die Luft vom Qualm der ganz abgebrannten hohen Kerzen erfüllt war – über einem Stollenschränkchen im Winkel sorglich hingebreitet die Schärpe mit seinem Namenszug, die er ihr vor der Hochzeit geschenkt hatte –, daß sie den schweren Ereignissen des Augenblicks und der Zukunft an einem stillen Platz auswiche. Sie werde versuchen, für den Frieden auch seiner Seele zu beten.
    Er dachte vor der Schärpe an ihre Begegnung in der Hofkirche zu Innsbruck. Vor dem Altar sahen sie sich, von Priestern einander zugeführt. Er, nach den würgenden Griffen des bayrischen Maximilian, gramzerrissen, hilfesuchend, unter den ungeheuren Prunkmänteln, den Agraffen Spitzen Bordüren, das verquollene ältliche Wesen, versteckt in der Schale, mißtrauisch und leidend. In hochrotem Kostüm sie; die Perlenkrone auf dem braunen spröden Haar hatte nicht mehr Farbe als ihr kleines Gesicht mit den drolligen dicken Augenbrauen und dem unentwickelten Mund. Wie sich sein Herz vor ihr in Haß leise zusammenzog. Vor Eleonore. Unter der Monstranz saß Maria und die Engel sangen. Jetzt lief das Kind von ihm weg, hatte sein Spielzeug nicht bekommen. Durch irgendein Städtchen, ein Kloster lief sie klagend, gedachte ihm wehe zu tun. Ihm wehe zu tun.
    Die Stirn gerunzelt, stand er vor dem Stollenschränkchen. Neulich war der Jude und sein Weib verbrannt worden. Wie ein Funken vom Dach lief die Erinnerung durch ihn und erlosch. Je mehr er die Schärpe ansah, war er lieblich von ihr befangen. Seine Finger nahmen sie zart an den Enden hoch. »Was ist es für eine schöne Purpurfarbe«, dachte es in ihm. Es gibt Dinge in der Welt von großer Schönheit, und Dinge von minderer Schönheit: das erfüllte ihn. Die Schärpe legte er sich sanft, fast kokett um die Hüfte über seinen Silbergurt. Die Damen blickte der Herr unter dem weißen Reiherhut schelmisch an; ob es nicht ein prächtiges Stück sei, diese Schleife. Ein guter Einfall der Kaiserin, sie einmal herauszuhängen. Hängte sich das Band an den Gurt, lud, den Mantel zusammenziehend, sanft die Damen zu einem außerordentlichen Karussell ein.

    DUMPFES WIEGEN der Parteien. Dumpfes Warten und Verharren der geistlichen Kurfürsten. Die kaiserlichen Räte, auf Regensburg mit Widerwillen gezogen, immer stärker der Verwirrung und dem Schrecken der Situation erliegend. Sie fühlten schon, daß sie sich zwischen zwei Feuer begaben, als sie das Schiff in Wien bestiegen. Sie fühlten, daß es biegen oder brechen hieß; sie sollten es entscheiden, wichen leidend, ratlos, zerrissen zurück. Ihr Entsetzen über die Krankheit Eggenbergs; es war wie eine Rache des alten Fürsten; er hatte ihnen den Teller mit der Giftsuppe zugeschoben, die sie sich bereitet hatten. Man schickte Briefe, Kuriere nach Eggenberg, er hatte in Wien vor der gräßlich sich erhebenden Machtprobe gewarnt, er war ihr Haupt, dem Kaiser lieb; jetzt schoben sich zweideutige Welsche und Jesuväter an seinen Platz. Eggenberg war nirgends zu finden; er reiste, hieß es. Sie mußten in allen Ratsstuben herumhorchen, bezahlten Spione in den fürstlichen Kanzleien. Vergessen der glanzvolle Plan der Königswahl. Die Stunde mußte kommen, wo man – unausdenkbar – kapitulierte

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