Wallenstein (German Edition)
irgend etwas Unversehenes versuchen; Bassewi äußerte skeptisch, der Friedländer sei krank, noch ein zwei Monat, so werde er froh sein, sein Getreide eingefahren zu haben. Als Graf Trzka sich freute, daß Friedland zögerte mit dem Abschied, es sei ein heilsamer Schreck für den Kaiser, dachte Friedland einen finsteren Augenblick nach: »Für den Bayern ein heilsamer Schreck; der hat noch nicht gewagt, seine Truppen nach Hause zu schicken. Die Landfahnen kommen nicht zur Ernte; ein mageres Jahr für Bayern.« Aber er ließ keine hetzenden Reden aufkommen, hatte keinen Sinn für Kindereien. Es sei bald Zeit. Er wolle nach Prag. Das Heer solle der Bayer übernehmen oder der alte Tilly. Wallenstein stand straff, blickte böse und drohend: er hinterlasse ein vortreffliches Heer; man werde einen spaßhaften Krieg jetzt führen; vielleicht brächten die Jesuiten den Frieden vom Himmel.
Der Herbst war schon da, als er dem Hofe schrieb, daß er nunmehr die Geschäfte dem Grafen Tilly übergebe, selbst nach Prag übersiedle.
Durch ein klagendes Heer fuhr er von Memmingen aus. Straßen hinter Straßen standen die ruhmreichen Regimenter mit Fahnen und Regimentsspiel Spalier. Der Herzog saß düster in seinem roten Mantel; er hob von Zeit zu Zeit vor den Obersten, die heranritten, den Hut, winkte den und jenen heran, gab ihm die Hand. Er fuhr, je länger er fuhr, in kaltem Behagen: diese Regimenter hatte er zusammengeführt, sie würden auseinanderfallen, wenn sie in fremde Hand kämen. Der Weg ging über Ulm, zu Lande weiter; er ging nicht nach Gitschin. Der Herzog drängte auf Prag. Und alle, die mit ihm ritten und fuhren, waren von großer Freude erfüllt: der Herzog lebte, wollte noch leben. Man fuhr keinen Toten des Wegs.
Über Nürnberg zogen sie, vierhundert Mann der Leibgarde, zahllose Wagen und Pferde. Und so groß war die Bestürzung in der Stadt bei dem Gerücht, daß er verabschiedet sei und sich nähere, daß der Große Rat der Stadt zusammenlief, in Eile Geschenke beschloß, die auf dem Ansbacher Weg entgegengeschickt wurden, eine Maßnahme, die man später nicht verstehen konnte. Als Friedland über das Bayreuther Gebiet kam, war die Nachricht von den Regensburger Vorkommnissen schon allgemein; tiefe Beklemmung und Bangigkeit hatte sich weithin verbreitet.
Nur wenige tausend Menschen sahen den prächtigen stillen Zug sich schwerfällig über die Äcker, zwischen den Wäldern winden. Aber das ganze Heilige Reich hing mit geistigen Augen an seinen Bewegungen. Man sah, wie eine grauenvolle Unverständlichkeit im Reich es dahin gebracht hatte, daß dieser Drache, dieser Herzog zu Friedland, der Wallenstein, sich offen vor aller Blicken in seine Höhle zurückzog, sich versteckte und als entsetzliches Geschick für die ruhigen Landschaften auf seinen Augenblick wartete. Aus kleinsten Flecken wurden die schutzflehenden Deputationen hervorgequetscht; sie berieselten seinen Weg; er grollte nur über die Kanaille, die ihm den Weg versperrte. Seine Garde hatte nicht nötig, auf Requisition auszugehen. Mann und Pferd wurde unter einer Flut von Beteuerungen und Heimlichkeit das Zehnfache von Fourage gebracht. Bei den Begleittrupps, den Kriegsoffizieren, stellte sich eine Neigung heraus, selber das Glück zu versuchen, sie sahen die Furcht und Untertänigkeit rechts und links, wurden mit Gewalt gebändigt. Sie fanden Wallensteins Rückzug ebenso sonderbar steif wie einflußreiche andere Männer.
Aber alles veränderte sich, als man sich Eger näherte und die böhmischen Grenzen überschritt. Hier war das dunkle zerrissene Land, aus dem er gekommen war. Er kam zurück. Mit Weltruhm, dem größten Reichtum Europas, von Memmingen. Ohne Amt. Im Berge Blaník schlafen die Wenzelsritter bei Vlaším. Es heißt, daß es dort eines Tages trommeln wird, ein Getöse erhebt sich, die Baumwipfel werden dürr, aus den Quellen werden Flüsse, Blut fließt in Strömen von Strahow bis zur Prager Brücke; Wenzel tötet alle seine Feinde. Das Land sog ihn ein. In zahllosen Krümmungen floß die bräunliche Eger, über Moorwiesen kamen sie, hinter ihnen strahlten tagsüber die Schneegipfel des Riesengebirges. Das hüglige Land ließ sie von einem Rücken auf einen andern gleiten. Aus dem Egerland und Ascher Gebiet, von Grünberg, dem Kammerbühl fuhren und ritten die Bauern über seine Straße, begierig ihn zu sehen, wie er aussehe, wie er blicke, der den Dänenkönig zerschlagen hatte und den der mißgünstige Habsburger nach Hause
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