Wallenstein (German Edition)
Ereignis, das sich vollzogen hatte, und in Erwartung der bayrischen Übergriffe. Als Kremsmünster die Frage der Zuziehung des Erzherzogs Leopold aufwarf, war schon klar, daß man einer andern Situation als früher gegenüberstand. Der Beichtvater, bleich und schwer sich erhebend, erklärte seine Hände von allem, was geschehe, abzuziehen; er sagte offen, er vermöge gegen den Kaiser nichts anzustiften und zu unternehmen. Eggenberg las ihm vom Gesicht, daß er von dem jüngsten Erlebnis noch geblendet war. Lamormains Gesicht gab deutlich das Gefühl wieder, das sie alle unsicher hatten, daß mit dem Kaiser eine neue rätselhafte Gewalt unter ihnen aufgestanden war. Man wußte nicht, ob man sich dieser Gewalt anvertrauen konnte. Dann vor der feierlich traurigen Figur des Beichtvaters wurde man ruhiger. Der Kaiser, der neue Kaiser wirkte.
Langsam stellten sie ihre Gedanken auf ihn ein; langsam erinnerte sich Trautmannsdorf des Satzes Ferdinands, es seien neue Zeiten da. Und als Trautmannsdorf, der Kühnste, am meisten Elastische von ihnen, zögernd fragte: »Und wenn es wirklich so wäre, wenn er die Dinge richtig sähe und einen Weg aus der deutschen Zwietracht wüßte?«, da bezwangen sie sich alle. Sie fühlten sich bewegt, der Gedanke vom Staatsstreich beschämte sie. Sie hatten sich feurig und erschüttert zusammengesetzt; nachdenklich trennten sie sich.
»Was sind das für Zeiten«, flüsterte erstaunt der verwachsene Graf zum Abt, als sie an dem stumm daliegenden Bischofspalast vorübergingen, der Beichtvater sich zum Kaiser begab, »ich hielt mich noch für jung und bin schon verbraucht, verstehe kaum etwas.« »Ach«, seufzte Kremsmünster, »es ist eine Zeit der Experimente. Hätten wir nur den Herzog noch.« »Denkt Euch, ach denkt Euch, der Kaiser will Frieden im Reiche machen, er steckt das Schlachtschwert ein, er will so, so Wittelsbach entwaffnen. Der Gedanke, der Gedanke!« »Gebe Gott und alle Heiligen, daß uns nichts widerfährt.« »Denkt Euch, es sah aus wie ein drohender Kampf zwischen Kaiser und Fürsten, Bayern und Friedland bis aufs Messer, und jetzt – hat der Kaiser den Sieg an sich genommen, ohne auch nur den Degen berührt zu haben. Er hat den Wittelsbach nicht einmal an sich herankommen lassen, und schon war er besiegt. Ohne Friedland! Denkt, Ehrwürden.« »Phantasien, lieber Graf. Der Kaiser denkt es und Ihr denkt es.« »Wer kennt die Wege des Schicksals. Warum sollte nicht einmal eine neue Methode versucht werden. Unsere heilige Kirche, Ihr seid mir nicht böse, ist stark im Hintergrunde; Urban soll auch viel Artillerie im Kopf haben. Da besinnt sich der Kaiser auf sein Herz.« »Hättet Ihr doch recht.« »Nein, nicht bloß auf sein Herz, auf unser Herz. Es könnte so sein, es könnte doch wenigstens in der Phantasie so sein. Und mit einem winzig kleinen, ameisenkleinen Phantasieaufwand hat der Kaiser unsere gewaltigen Schwierigkeiten behoben. Bah, stehen die Kanonen da, bah, wissen die Generäle nicht, was mit ihnen ist.« »Phantasie, Phantasie.« »Das neue Heilige Römische Reich.« »Ach, es ist ja zum Lachen, Graf Trautmannsdorf. Ich möchte in Friedland und den Bayern gucken.«
So stolz und entschlossen war Maximilian, daß er nach wenigen Tagen sich selbst im Bischofspalast eine Audienz erbat und den Kaiser um Erledigung der schwebenden Heeresfrage anging. Ferdinand hatte noch einmal mit seinen Herren beraten; es waren sonderbarerweise alle Einwände verstummt, gegen die Bestallung des ligistischen Generals Tilly zum kaiserlichen Feldherrn wußte in halber Beschämung niemand etwas zu sagen; ja man hatte sich gewundert unter den Suggestivreden Trautmannsdorfs, wie glatt diese einfache Lösung war und wie fruchtbar sie sein konnte.
Ferdinand ging sanft dem Bayern, der trübe blickte, an die Tür entgegen: »Wie, lieber Schwager, Ihr solltet Euch wirklich zu diesem Opfer entschließen? Ihr wollt Frieden im Reich stiften? Wißt Ihr, es ist ein Einfall von Euch, der so den Kern meiner Erwägungen und innerlichen Beschlüsse trifft, daß ich noch jetzt erschrocken bin. Ja, wie kann diese Tagung besser geschlossen oder gekrönt werden, als indem Ihr oder Euer General meine Armee in die Hand nehmt. Jeder Streit entfällt. Eure militärische Tüchtigkeit ist ohne Zweifel. Und, nein –« Er strich des Bayern Ärmel und lachte ihn herzlich an. Maximilian, finsterer im Anhören geworden, fragte ihn nach dem Lachen. Ferdinand schritt mit ihm in den Saal; nun werde einmal der Bayer
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