Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wallenstein (German Edition)

Wallenstein (German Edition)

Titel: Wallenstein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Döblin
Vom Netzwerk:
in rotem Kostüm mit entsetzlich schlagendem Schwanz dazwischen. Bei dem Narrengericht auf einer Bühne im geheizten Treppenflur wurde gegen einen grünhaarigen Wassermann verhandelt, der sich weigerte, die Ehe unter Menschen anzuerkennen und schließlich unter Toben und Gewieher verurteilt wurde, sich mit einem schmierigen dicken Wiesel zu verheiraten. Darauf führte der ungarisch verkleidete Graf Trzka den schweren Grafen Schlick, den Präsidenten des Hofkriegsrates, der aus Wien sich eingestellt hatte, Friedland zu. Der Herzog, schrecklich anzusehen, ein Produkt seiner furchtbaren Leiden und der Rastlosigkeit, bewegte sich hinter einer Palmengruppe, ausgemergelt lang und gebeugt, auf zwei Stöcken, die kurzen Haarstoppeln schneeweiß, der spitze Kinnbart grau und weiß gemischt, über blauroten Augensäcken die kleinen spielenden Augen mit peitschenden Blicken, die Nase herabgezogen auf die dicken Lippen. Die Herzogin und einige Vornehme saßen auf Polsterstühlen um einen Tisch. Der Herzog zog den Fremden neben sich.
    Während sie lebhaft sprachen, trat ein wüster Mensch aus dem Saal an ihre Gruppe heran, mit langem blondem Bart, den wilden Haarwuchs bis über die Schultern. In steifen braungelben Schäften bis an die Hüften stieg er, die Muskete trug er in der Rechten, stellte sie aufstoßend vor sich wie ein Totschläger. Er hatte sich mit dem mächtigsten weißen Kragen geputzt und einen ungeheuren Federhelm aufgesetzt, eine braune Dogge zog er mit der linken Hand beim Nacken. Er griff nach einem Becher, trank ihn aus. Dann legte er unmittelbar vor dem Tisch seine Muskete in die Gabel und schickte sich trunken lachend an, einen Schuß auf den Herzog oder den Grafen zu lösen. Mit einem Fußtritt warf im Augenblick Trzka die Gabel um.
    Mit dem Menschen, der grunzte lachte gluckste, tschechisch stammelte, balgte er sich eine Minute, dann krachte ausrutschend der Strolch zwischen die Palmen hin, die sich auf dem Parkett in ihren Riesenbehältern rückwärts auseinanderschoben und raschelten. Die Herzogin in ihrem weiten roten Rock, dem weißen Mühlradkragen war aufgesprungen, hatte geschrien. Masken schwankten an. In ungestümen Sprüngen riß sich, mit den Partisanen schlagend, die Saalwache Raum, brach durch, räumte, sich immer verstärkend, einen Kreis um die herzogliche Gruppe. Zwei Pikeniere schleppten den juchzenden Betrunkenen, der nach seinem Köter greifen wollte und rückwärts die Masken anlachte.
    Der Herzog stand mit den Stöcken da, brüllend mit glitzernden Augen: »Vorbeigeraten! Graf Schlick, ha! Seht Ihr, vorbeigeraten.« Der murmelte etwas: »Seht. Wer steckt dahinter. Man wollte kommen. Sie haben es nicht gekonnt. Haha.« Friedlands wildes verzerrtes Gesicht; er schnaubte schwer, tastete sich zu einem Sitz, blickte alle an. Der halbe Saal war vor ihnen gesperrt.
    Schlick, der ungeheuer schwere Mann, der Kopf war ihm abwärts zwischen die Schultern gerutscht, saß da, betrübt, mit langem weißem Bart, buschigen schwarzen Augenbrauen, die sich hochsträubten; die Arme lagen ergeben auf dem Schoß; stumpf verwittert grau saß er wie aus porösem Stein. Er brummte beruhigend, wie stark die herzogliche Leibgarde sei. Wallenstein, beide Hände auf den stehenden schweren Stökken, noch atemknapp, bissig: man müsse sich gründlich vorsehen, im Haus nicht weniger wie im Feld; man könne nicht wissen, von welcher Seite man angegriffen würde. Ob übrigens Graf Schlick glaube, daß der schwedische König, was man sich erzähle, von seinen eigenen bestochenen Leuten erschossen sei. Der Gast nickte; vielleicht haben die Schweden oder ein Deutscher ihn beseitigt; es sei keine schlechte Kriegsmethode, den Führer zu erschlagen; das spart Kanonen. Er, knurrte Wallenstein, möge die Methode nicht; es sei doch etwas Verruchtes darin. Er schickte Trzka fort, beim Obersten der Leibgarde nachzuforschen, was man von dem Betrunkenen ermittelt habe. Noch höher hob Schlick die Schultern: ruchlos oder nicht, wer will die Mittel wählen; überall entstehe die weltliche Gewalt niedrig, durch Mord und Waffen; man wisse ja, daß die Fürsten erst mittelbar von Gottes Gnaden seien. – Was? der Herr billige solchen Mord am eigenen Herrn und Fürsten. – »Nicht doch; ich sage, solch Mord ist unvermeidlich. Bisweilen. Wenn der heilige Glaube es verlangt.« – Wallenstein kniff aufmerksam die Augen, fixierte den versunkenen Fleischblock lange: so, so; der Herr Bruder sei Anhänger der frommen Jesuväter; das freue

Weitere Kostenlose Bücher