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Wallenstein (German Edition)

Wallenstein (German Edition)

Titel: Wallenstein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Döblin
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wollte Küttner weiter. Da schlug Slawata einen gemeinsamen Weg nach der Rotenturmstraße vor; Leuker nahm nach einigem Wandern Urlaub, da der böhmische Herr wesentlich mit dem jungen unbedeutenden Fant sprach. Der Böhme hatte sich an Küttner verhakt. Etwas lockte ihn an dem Knaben.
    Vor der Wirtshaustonne mit Met gab der gesprächige Küttner Schnurren von sich; wie er zuerst von dem sonderbaren Zwergenprofessor, dem Genueser Licetus, hierher geführt sei, der ihm allerlei Taschenkunststücke vorgemacht habe und so weiter. Nach Maximilian gefragt, wurde er stiller, äußerte sich dann in heftigem Schmerz, wie er den Kurfürsten verlassen habe, daß solch Unglück über den frommen klugen tiefen Mann habe hereinbrechen können. Nun säße er wieder in München; wie lange, und die Schweden seien von irgendeiner Seite wieder da; wer könne dies mit ansehen, er sei fast davongelaufen. Das nahm, im dunklen Winkel sitzend, den Pelz über den Knien, Slawata mit niedergeschlagenen Augen entgegen; mit seinen stumpfen samtnen Blicken betrachtete er gelegentlich rasch den erhitzten Jüngling. Er drängte den andern auf den Weg, den er wollte, und als der nicht weiterfand, meinte er zweideutig vor sich lächelnd, an einem Lebküchel spielend, man sei ebenso weit wie vor Jahren in Regensburg; Karthago müsse zerstört werden. Küttner fand das fast naiv, von der Art der Jesuitenväter; unwillig fragte er, ob man nichts Konkretes zur Abhilfe wisse. – Noch einmal, Karthago müsse zerstört werden. – Gutmütig gab der Bayer zu, es könne auch das Haus Habsburg abgesetzt werden; was solle zunächst geschehen. – Soll also Karthago zerstört werden oder nicht? – Nun ja; der Bayer lachte und trank; aber zur Sache. Darauf wollte aber der zähe sehr langsame Vornehme nicht eingehen; sie müßten sich erst über das Prinzip einig sein. Und da erst, auf diese unbeirrbare Dringlichkeit und Gewißheit, wurde Küttner unsicher, hörte auf, an seinem Becher zu ziehen, betrachtete den feinen kopfsenkenden Mann vor sich genau. Was also.
    Slawata merkte den Umschwung in dem andern, blickte ihn von unten fest an; wie es nunmehr mit Karthago stünde. Man kann es vielleicht zerstören; es scheint, als ob auch der bayrische Herr das wünscht. – »Man kann« und »vielleicht« und »es scheint«, die bayrische Durchlaucht hat nichts Sehnlicheres als dies; man kann nicht, man wird, und wird müssen. Oder? – »Ihr denkt, Ihr kluger junger Herr, sogar ein Oder. Dieses Oder, das etwas von einer Sintflut an sich hat. Wißt, ich denke nicht im Schlaf an dieses Oder. Mir ist es nicht von Gott verliehen, so weit zu denken.« »So, meint Ihr, steht es.« »Es wird ja schon von vielen begriffen; sie warten aber so lange und freuen sich so lange am Begreifen, bis es nichts mehr zum Begreifen gibt.«
    Küttner, über die Tonne gebückt, tippte mit dem Zeigefinger der linken Hand eine Weile rhythmisch auf das Holz. »Weiter«, brachte er heraus. Slawata erhob sich, warf ein Silberstück auf den Schanktisch; sie trabten durch die schnell sich verdichtende Dunkelheit.
    Als der Böhme allein auf sein Quartier zog, wunderte er sich über dieses plötzliche Winterabenteuer, das Sitzen in einer Metstube, den kecken eigentümlich herzlichen und kindlichen Küttner. Wie war er plötzlich in dieses Gespräch mit dem Knaben hineingezogen worden. Es hatte etwas Schönes Süßes Lyrisches an sich; es zwang ihn hinein, und jetzt schwang noch das Freudige rätselhaft Belebende davon in ihm. Als wenn er selbst junge glückliche Wege schwebte. So dachte er, im dunklen Erker sitzend. Es hat beinah nichts mit dem Friedländer zu tun, dachte er in sich, sich zärtlich betrachtend; es ist für sich genug. Während sein Gesicht im Dunkeln ein Lächeln war, dachte und träumte er: ich werde den Friedländer mit dem jungen Knaben umwinden; er ist meine Waffe. Was habe ich denn für Waffen gegen den Friedländer. Ich bin auch nur eine Nachtigall, die um den Löwen fliegt. Was wird das für ein sonderbarer Tod des Löwen werden, wenn ich ihn töte. Und er freute sich an dem schönen weichen Vorgang. Und was will ich auch von dem gelben starken Löwen; was tut er mir. Wieviel fehlt dazu, daß ich ihn anbete. Aber ich bin dabei und bin im Begriff, ihn zu töten. Es ist sonderbar, die Dinge sind in dem Laufe, gerade in diesem Laufe.

    ZUR FASTNACHT wurde im friedländischen Palast eine Maskerade abgehalten. Türken Ungarn wilde Männer Kobolde drängten sich, der Satan schlich

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