Wallenstein (German Edition)
änderte, er von ihr abwich. Er erstaunte über sie; er fühlte: sie bemerkte, daß er den Halt verlor; sie wollte ihm helfen, er wollte es nicht, fand es schamlos, fand sich bloßgestellt, seine Unruhe vertieft; wich, hörte sie trübe an. Sie warb weiter um ihn, es geschah ab und zu, daß er sie wieder ansah.
Eleonore von Mantua, die in Regensburg vor ihm geflohen war. Sie hatten einmal nebeneinander gestanden vor der golden blinkenden Monstranz, die den Baum des Lebens darstellte. Ihr hochrotes Kostüm, die Perlenkrone auf ihrem spröden braunen Haar, dunkle dicke Augenbrauen, die Schleife an ihrer Hüfte mit seinem Namen. Dann hatte er sich hineingestürzt in sie; sie waren, wie sonderbar, auseinandergekrochen wie zwei grüne Kröten, plätscherten nebeneinander. Verwirrt hielt er sich jetzt in manchen Augenblicken an ihr fest, sie umschlangen sich, er war glücklich und besinnungslos, in ihr blieb die Freude und die Sehnsucht. Sie hatte nicht mehr in Erinnerung das verquollene leidende Wesen, das ihr in der Innsbrucker Kirche begegnet war, mißtrauisch aus seiner Schale blickend, das stumme machtgeschwollene Ungeheuer von Regensburg. Er verwandelte sich wieder; er blickte sie an. Sie wußte jetzt nur, aus ihrem Witwenzimmer schleifend, daß er ihr Vaterland war. Mantua war verloren: da ging, da schlich – Mantua! Wie sie aus ihrem Witwenzimmer zu ihm gefunden hatte, hatte sie nur dies Gefühl; es lebte zwangsartig in ihr, sog sich in ihr fest.
Nachdem der Kaiser sich bei vielen über die schwebenden Dinge orientiert hatte, lockte es ihn einmal, in Gegenwart der Kaiserin den großen Luxemburger, den hinkenden Jesuiten, zu sprechen. Ein undeutliches Gefühl hatte ihn bewogen, in Gegenwart der Kaiserin und Lamormains die Dinge auf sich wirken zu lassen, mit ihnen gemeinsam die Dinge zu übernehmen. Hilflos fühlte er sich, von Woche zu Woche mehr. Man sah am Hofe: seine große Hoheit war einer Müdigkeit gewichen; er wußte sich keinen Platz, fühlte sich beirrt, gehindert, gereizt, in einer unnatürlichen Lage. Das wehte launenhaft über ihn und breitete sich mehr aus, zerriß seine Einheit. Triebartig hatte er in manchen Stunden das Verlangen, die ganze Last und den Wust von sich abzuschütteln, um wieder zu seiner Macht zu finden. Seine alte Neigung, Schwierigkeiten durch die Flucht zu entgehen, erwachte gelegentlich.
Es drängte ihn jetzt leise zu Menschen, zu Eleonore. Sie sollte alles mit ihm dulden. Was würde sie sagen. Oh, er wollte sich fesseln lassen. Er fürchtete sich, fürchtete sich vor dem, was ihm bevorstand.
Wie Lamormain anschlich, erinnerte ihn Ferdinand, sich in seinen Abtstuhl senkend, an die Ruhe der Tage in Regensburg und wie die Ereignisse gräßlich geworden wären, gräßlich durch das Wanken aller menschlichen Beziehungen; was hätten sie aus seinem Wallenstein gemacht, dies sei kein Verräter, oft hätte er Lust, den Herzog zu rufen und mit ihm alles zu klären; Mißtrauen, Übelwollen, daraus sei das jetzige Ungemach geboren, es mußte auf ihrer Seite viel verschuldet sein. Lamormain, mit seinem Stock auf den Boden zeichnend – sie saßen in einer glasgeschlossenen geräumigen Galerie, die den Blick auf einen Hof gestattete, Gemälde Skulpturen an der seidenbespannten Längswand, bunte Ampeln hingen herunter, der Hof versammelte sich hier oft –, auch Lamormain dachte an Regensburg; Mariä Himmelfahrt, die gelbroten Flammenräder fuhren über die Wände des Musikzimmers im stillen Bischofspalast; wie ein Begnadeter legte dieser Kaiser alle Macht von sich, legte ihre Schwäche und Kleinheit bloß. Jetzt saßen die Hunde, die er losgelassen hatte, an ihm, fielen den Jäger an. Matt der Pater: Eggenberg hätte sich viel bemüht, Schwierigkeiten und Konflikte zu vermeiden, die Dinge nähmen aber einen Verlauf, der fast vorauszusehen war. Gereizt Ferdinand, an seinem grauen Kinnbart rupfend: der Priester möchte das nicht sagen, man möchte nicht Wallenstein schlimme Neigungen zuschreiben; er glaube das nicht, der Verlauf werde ihm vorgezeichnet. – Sein Beichtkind, das flattrig leidend im Stuhl sich bewegte, umfaßte Lamormain mit einem langen herzlichen Blick; er sah auch auf die Kaiserin, die das Kinn auf der Hand, den Arm auf die Sessellehne aufgestützt hatte, leicht vorgebeugt, beide beobachtend: so hätte die Römische Majestät es vielleicht richtig genannt; wenigstens zu einem Teil werde dem Herzog ein gefährlicher Weg von außen vorgezeichnet; seit Regensburg könne man
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