Wallenstein (German Edition)
»Ehrwürden?« Der trat seitlich, mit dem Stock stampfend, plump hervor, pflanzte sich hinter seinem Stuhl auf, die Lehne angeklammert: »Dies alles ist uns nichts Neues. Die Kirche kennt seit langem die Menschen. Wir rechnen mit diesen Menschen. Wir müssen sie brechen auf irgendeine Weise.« Ein Zittern hatte den Kaiser befallen: »So sind die Menschen. Ihr habt recht. So bin ich wohl auch. Wir können es nur ändern, wenn wir uns der heiligen Kirche unterwerfen.« Der Priester redete leise: »Die Menschen sind böse. Sie haben teil an der Erbsünde.« An Eleonore wandte sich, zu ihr aus der Tiefe des Sessels die Arme ausstrekkend, der Kaiser hauchend: »Siehst du. Wir sind davon befallen.« »Ich weiß es, Ferdinand.«
Das schuppentragende lange Reptil schurrte rauschte klapperte über ihn; Entsetzen lag auf Ferdinands Gesicht.
»Der Friedländer zahlt mir’s heim. Was bin ich anders. Wir werden morgen den Fürsten Eggenberg zu uns bitten.« Lamormain lächelnd, die schwere Faust hebend: »Wir brauchen keine Sorge haben. Er wird bewältigt werden, der verräterische Mann.« »Seht Ihr, seht Ihr, wie gut«, hauchte zitternd, zaghaft zu ihm aufsehend der Kaiser, der ihn und Eleonore mit weißlichen Blicken übergoß. Dabei kaute er an seinem Schnurrbart. Durch ihn fuhr, er erlitt es, es machte seine Schultern schwach, füllte seinen Mund mit lauem Speichel: daß er die Worte eines andern sprach, daß ihn dies alles gar nichts anging. Er war durchkreuzt; der Friedländer war ein starker Feldherr; was tun solche Feldherrn: er konnte seine Gedanken nicht daran annageln. Halbe Minuten dachte er: die Kurfürsten werden sich zufrieden geben, ich werde den Friedland entlassen. Er war ja in Wien, in Wien. Er kaute wieder an seinem Schnurrbart.
Vor seinem Bett stand er nachts in seinem Schlafmantel, hob die Arme vor die Stirn, stieß mit den Ellbogen beiseite, schnob, daß der Leibkammerdiener aufhorchte: »Gebt Raum, gebt Raum.« Er durchmaß den fast finsteren Raum, rieb das Gesicht am metallenen Leib Christi, keuchte, drohte. Er schlug mit beiden Fäusten gegen die nackte Brust, als wenn er seine Besinnung herrufen wollte.
Wie er am nächsten Tage in Wolkersdorf war, zog er seine schmutzige Handwerkertracht an, gab seinem Kämmerer Bescheid; sie spazierten ziellos durch den Wald. Aber es war ersichtlich, daß der Kaiser einen Weg suchte. Sie kamen zu einer Kohlenbrennerei, und als sie ein Stück weiter gegangen waren, begegneten ihnen drei Männer, zwei dicke Bauern, die Ferkel im Sack auf dem Buckel trugen, und ein lustiger Dominikaner. Die beiden Männer schlossen sich ihnen an. Der Mönch erzählte lange muntere Geschichten, bis bei einer Gelegenheit herauskam, daß seine beiden bäurischen Begleiter Neugläubige waren. Da wand er sich, bekreuzigte sich, schlug die Hände zusammen. Sie gaben trotzig lustige Antwort, setzten ihm auf jede Schulter ein weißes quiekendes Ferkelchen, daß die Tierchen sein Lamento überschrien. Der Kämmerer redete ihnen gütlich zu; der Dominikaner, ihm dankend, wandte sich eifrig, hochrot, an die Bauern, ob sie denn nicht geneigt wären, in dieser schönen freien Gottesnatur wenigstens ihn anzuhören, ihn sprechen zu lassen. Es gab eine Debatte über das Recht der Ferkelchen, sich auch vernehmen zu lassen. Sie versenkten dann die Tierchen wieder in den Sack. Der Dominikaner sprach auf sie ein. Er sprudelte.
Was sie denn nur wollten. Warum passe ihnen der alte Glaube nicht. Hätten sie sich ihn ausgewachsen, den alten Wams. Ei, und er paßte doch so gut. Warum denn nur die albernen neuen Moden. Wüßten denn auch die Bauern, wie die feinen Bürger und Edlen in der Stadt französisch aufgeputzt dahermarschierten. Welche Äfferei. Sie, wackere Bauern, Ferkelchen im Sack, und Neugläubige! Wenn sie es nicht sagten, würde man es nicht glauben. Sie möchten doch einmal die Ferkelchen fragen, ob sie einen anderen Glauben hätten als ihre Eltern und Ureltern und weiterer Voreltern und Ahnen bis in die Arche Noahs hin. Bei Jesus, solch Tierchen ist den weisen, weisen Menschen über. Man wirft nicht Dinge holterdiepolter in die Asche. Immer sachte, immer vorsichtig, taugt noch alles was. Wer wird so lumpen, einen neuen Glauben, wenn der alte noch ganz gut ist. Hä, und ist er nicht gut?
Da gaben die beiden nur zum Bescheid, er rede so flink und glatt daher. Solle er nur weiterreden, sie hörten gern zu. Der Kammerdiener nickte.
Ja, es gäbe nichts, was nachsichtiger wäre als der
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