Wallenstein (German Edition)
wie sie einem kommen könnten, der weit vom Schuß sei. Es sei auch Art der Römischen Majestät gewesen, an ihn persönlich ein Brieflein mitzugeben, wenigstens sonst, – oder trügen sie es vielleicht noch bei sich und hätten es vergessen. – Nein, sie hätten vom Kaiser keinen Brief; es sei alles mündlich beredet. – Darauf langes Schweigen, Graf Trzka trat neben die Bank des Herzogs. Der blitzte den Grafen Schlick an. Nach Austausch eines Blickes mit Schlick erörterte Questenberg die schwierige finanzielle Lage des Erzhauses; fast demütig schließlich die Frage: ob sich das Heer nicht besser etwa in Thüringen finden würde, damit die Erblande sich etwas erholen könnten. – Ob dies vom Kaiser stamme. – Es sei in mehreren Beratungen des Hofkriegsrats und des Geheimen Rates besprochen worden. – Der Herzog, ohne die Augen zu erheben: also welche Quartiere sie für ihn vorhätten. – Wie gemeldet, Thüringen. – Sie wüßten, es stünde ihm frei nach seinem Vertrage, sich die Erblande zum Rückzug zu nehmen. – Es sei ein Wunsch, sie wüßten es. – Man habe nicht vor, an dem Vertrag zu rütteln? Er fixierte beide scharf. – Keineswegs; ein Wunsch. – »Man wird mich nicht mit einem Vertrag aufs Glatteis locken und im enscheidenden Augenblick mir ein Bein stellen.« Dann: er werde es sich überlegen. – Schlick immer gleichtönig: es käme nicht auf vierundzwanzig Stunden an; sie könnten einige Tage in dem artigen Städtchen verweilen. – Wallenstein: er werde ihnen im Lager Unterhaltungen verschaffen, italienische Sänger, Schlittenfahrten, wenn das Wetter es gäbe. – Schlick kalt: er sei ein alter Mann; führe nur Befehle aus. Und es sei ihnen schließlich nicht unangenehm, einige Tage im Lager zu verweilen. Sie hätten Lust, die neuen Offiziere kennenzulernen, welcher Geist in den jüngeren Generationen stecke; man belebe sich gern an ihnen. – Questenberg spie plötzlich, aufstehend: er hasse den Schreibbetrieb aufs Blut; wolle nicht gar so tief in das Lager blicken; bekäme vielleicht Lust, wieder die Pike auf die Schulter zu nehmen. – Der Herzog knurrte ihn freundlich an, leicht höhnisch: wem ginge es nicht so; aber schließlich seien schon bald dreizehn Jahre um, daß man sich herumbalge. Werde er nun sehen und sich angelegen sein lassen, den Krieg zu beenden. – Questenberg freudig: dazu möchte Gott seinen Segen geben.
Runzelte Schlick seine niedrige Stirn, schob den Kopf in die Höhe, den Hals reckend, wie ein Laternenträger, der das Licht an der Stange anhebt; so reiche sein Verstand nicht so weit, er sähe noch kein Ende des Krieges; würden alle Schlachten geschlagen sein, damit am Schluß die Feinde triumphierten und sich freuten, so gut davongekommen zu sein. – Oh, oh, lächelte der Herzog, der Herr Graf sei schon lange nicht an der Spitze einer Armee gestanden. – Er denke schon, saß Schlick da, daß seine Erfahrungen ausreichten. Der Krieg gestern sei nicht anders als der vorgestern. – Nein, der Herzog, nur die Bleiplatten an den Sohlen, mit denen man zur Schlacht gehe, seien schwerer geworden. – Mit Bleiplatten, Schlick stärker grollend, könne man auch am Fleck stehen bleiben. Mit Bleiplatten könne man ein Heer zu Hause behalten. Mit Bleiplatten brauche man kein Heer. – Immer abgekühlter freundlich der Herzog: es sei auch unter Umständen das Beste. – Dann brauche man eben kein Heer. – Eben. – Dann, dann, Schlick mit sich ringend, zum Wutausfall bereit, sei ja alles überflüssig, alles. – Ihr meint, ich auch. – Wartend der andere, dumpf erregt, ihn anglotzend. – Wallenstein stieß ein Lachen heraus. »Wovon wir da reden. Was meint ihr, Questenberg, Trzka. Wir sind Schuhmacher; wir reden von Bleiplatten an den Sohlen.«
Der mit Silber und Samt ausstaffierte sporenrasselnde Trzka warf, an den kleinen Fenstern wandernd, erregt seine Locken; lachte mit unnatürlich starrem Gesicht und feuchten Augen, den Herzog willkürlos nachahmend: die Bleiplatten; er kenne ein Märchen, ob er es erzählen dürfe.
Mit fast gehässigem Blick auf ihn sank Schlick in sich. Wallenstein schluckte Wein, krächzte: nur reden sollte er; die Herren würden es gern verstatten. Müßte aber spaßig sein.
»Es gibt einen Schwarzspecht, man findet schwer den Baum, wo er nistet. Hat man den Ort gefunden, so muß man ihn sich merken und warten, bis das Vöglein brütet. Und wenn die Brutzeit vorbei ist, soll man hinauf, wenn der Vogel aus ist, die Öffnung verspunden. Der
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