Wallenstein (German Edition)
Specht kommt wieder, und sobald er merkt, die Öffnung ist verspundet, fliegt er fort, halbe Tage lang, und sucht und findet einen Ort, da wächst ein Kraut, das heißt Springwurzel, und bringt es. Rasch soll man auf eine Leiter vor das Nest, ein rotes Tuch vors Gesicht gebunden, einen kleinen grünen Wedel in die Faust, und immer nicken, nicken damit und mit dem Fuß klappen, als täte er’s selbst am Baum. Dann erschrickt der Specht, weil er glaubt, es seien seine Jungen ein so närrisches entartetes Volk oder es gehe ein Zauber um, schreit, läßt die Springwurzel fallen, schreit nochmal, flattert davon. Das Kraut aber soll man mit dem roten Tüchel vom Boden aufheben und sorgsam bewahren und einwickeln, man kann damit verschlossene Türen öffnen, Geleimtes Gelötetes lösen, Ketten sprengen.«
Trzka lachte heiser, erregt nach vorn gebeugt zum Grafen Schlick herüber: »Ich bin schon fertig.« Wallenstein: »Habt Ihr solch Kraut, Trzka?« »Nein, Eure Durchlaucht. Ich nicht. Vermute aber, des Grafen Schlick Liebden sei in solchem Besitz und Vermögen. Hat er doch etwas mit den Bleiplatten vor, die Eure Durchlaucht an den Füßen tragen.« Schallender Lachausbruch Trzkas, zusammentönend mit Friedland und Questenberg. Trzka stammelnd: »Und da ich so viel von solchem Wunderkraut gehört habe, hätte ich gern gesehen, wie es sich besieht und befühlt. Muß gar artig und klein sein, da es schon solch winzig Tier im Schnabel führen kann. Möcht’ gar sehr darum bitten, es mir zu zeigen, wenn Ihr’s im Sack tragt.«
Stöhnend hielt Wallenstein im Lachen sich die Rippen; dann mit den Armen abwinkend: »So laßt den Herrn Bruder zu Wort, so redet nicht. Ich bin gar begierig.«
Das phlegmatisch schwere Wesen schien von der Unterhaltung wenig berührt. Er wüßte nicht, worauf des Herzogs Durchlaucht so begierig wäre; hätte er und Questenberg schon alles berührt, was sich sagen ließe; vermißten sie doch nur das Wort Wallensteins. Trzka fast triumphierend: »Ihr habt es berührt, daß die Armee sich nicht genug schlage.« »Berührt, gesagt, als Auftrag und als eigene Meinung.« »Das ist es ja. Und so müßt Ihr doch die Wurzel bei Euch haben, mit der Ihr den Herzog, meinen Schwager, springen machen wollt.« Schlick stand drohend auf: »So muß ich Herzogliche Durchlaucht fragen, mit wem ich verhandle, ob mit dem Generalfeldhauptmann oder mit dem Herrn Grafen, des Herrn Schwager.« Da hatte Wallenstein einen langen scharfen Blick auf Trzka und den Grafen Schlick gerichtet. Leise bat er seinen Schwager, die Possen zu lassen. »Die Auffassung in Wien ist«, Schlick, »daß die Kaiserliche Majestät ein großes Unrecht tat, als sie den bayrischen Kurfürsten hilflos im Stiche ließ gegen den Schweden. Es hat sich das Gewissen bei uns geregt, stärker und stärker, in Anbetracht der großen uns von Wittelsbach zuteil gewordenen Wohltaten, die im ganzen Reich bekannt sind, daß wir nicht zusehen können, wie er die Beute des Feindes wird. Er hat dem Erzhause in Böhmen und bei tausendfältiger Gelegenheit anderer Art geholfen aus dringender Lebensgefahr. Das soll von einem edlen Kaiser unvergessen bleiben. Auch der Geheime Rat hat sich diesen Bedenken nicht entziehen können. Und so ist nach vieler Überlegung beschlossen worden, unvorgreiflich Eurer Herzoglichen Durchlaucht Entscheid, auf Beschleunigung der Kriegshandlungen zu dringen.« Leise Wallenstein: »Genug, Herr Bruder. Was wollt Ihr.« »Die Winterquartiere müssen abgebrochen werden; Euer Heer ist kaum geschwächt; der Abbruch des Angriffs auf Regensburg hat die ganze Welt verblüfft, man lacht über die Maßnahmen der Armee unserer Kaiserlichen Majestät.« »Wer wird das wohl sein, der lacht; wer war verblüfft.« »Die Italiener spotten, die Spanier. Herr Bruder, lassen wir das, was hat Er vor, sprech’ Er sich aus, sollen wir den Bayern vergehen und verderben lassen.« »Die Italiener und Spanier. Was haben die Väter der Jesugesellschaft gesagt. Sie haben doch nicht geschwiegen.« »Lassen wir das, Herr Bruder. Sprech’ Er sich aus.« »Die Herren von der Jesukompagnie haben sich dahinter gesteckt, und nachdem sie die heilige Kirche regieren, glauben sie auch ein Heer und die Politik regieren zu können. Wir werden aber selbst wissen, wie wir zu marschieren haben.«
Questenberg wollte sprechen; Friedland wischte an seinen roten Augen, aus denen es troff, senkte seine Stimme, schob ihnen Wort für Wort hin: »Es ist genug gekriegt im Reich.
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