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Wallenstein (German Edition)

Wallenstein (German Edition)

Titel: Wallenstein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Döblin
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Mensch drin zu finden ist. Denn ich will einen ehrlichen beständigen aufrichtigen Frieden im Reich stiften.«
    Das befriedigte sie beide sehr. Sie fixierten gemeinsam mit Neumann, rittlings auf ihren Schemeln sitzend, die Punkte auf ihren Schreibtafeln.
    Friedland bot indessen, den Stroperus am Hals umschlingend, mit ihm durch den Saal tappend, ein sonderbares Bild. Er schien, den grauen unordentlichen Kopf vorgebeugt, durch die Tücher gierig sehen zu wollen. Es machte auf die beiden fremden Herren einen schrecklichen angsterregenden Eindruck, wie er, an den Wänden entlanggeführt, der Unterkiefer herabgefallen, sich nach dem Schall orientierte, den vorgestreckten Kopf hindrehte. Man sah ihm in den roten Mund, fast in den Rachen; die geschwollene Zunge lag und wälzte sich im nassen Speichel. Er sprach mit schwerer schnarchender Stimme; sein Gesicht lang, Mulden an den Schläfen Wangen. An den Tisch geführt, stehend an der Kante sich haltend, fragte er stolz und hämisch knurrend, was die Herren von seinen Vorschlägen hielten. Sie gaben schreibend zurück, es sei gutes Fahrwasser. – Das solle es wohl sein. »Machen wir uns keine Sorge, was die andern denken. Wer viel fragt, kriegt viel Antwort. « So blieb er stehen, horchte wie sie schrieben. »Was haltet Ihr von den Türken«, fing er plötzlich an; »man soll sie nicht aus den Augen lassen. Wir zanken uns hier alle auf dem Ätna. Dem Schweden ist der Türke nicht grün gewesen, wie er einen Gesandten hingeschickt hat. Die Römische Majestät fand ihren Gesandten auch nicht besser empfangen. Der Großherr ist uns allesamt nicht grün. Der hat seine Lust an unseren Kriegen.« Und dann marschierte er wieder herum mit Stroperus, schwadronierte von der gemeinsamen Christenfront gegen den Sultan; das würde ein Spaß werden; die Kreuzzüge seien der europäischen Christenheit noch immer im Leibe; er warf mit Angriffsplänen um sich. Wie sie sich verabschiedeten, forderte er Trzka vor sich.
    »Bist du da, Trzka?« tastete er sein Gesicht. »Die Bürschchen, die Bürschchen. Dem Ketzer ist keine Treue zu halten. Dazu ist es not, Ketzer zu sein. Es geht sogar gänzlich ohne Taufe, hoho. Das sind Helden. Wir führen Krieg, ich stell’ ihm ein Bein, und das ehrbare Fräulein seufzt: Das schickt sich nicht; ich hab’s nicht so gelernt; bei der Muhme Ulrike ging’s anders zu.« Trzka wollte Neumann entfernen; Wallenstein, der es merkte, donnerte: »Das ist mein Blut, laß ihn, befiehl ihm nichts. Setz mich, Stroperus. Was willst du sagen, Trzka.« Er donnerte in falscher Richtung.

    DAS LAGER bei Pilsen. Um die Mauern Holzhütten, Zelte, Höhlen, Gehöfte, in die Nachbardörfer übergehend, meilenweit ausgedehnt, Stoppelfelder Gehölze zwischen sich fassend. Nahe der Stadt, von Sümpfen umgeben, durch Gräben Wolfsfallen abgegrenzt, nur auf Brücken zugänglich die Artillerie, lärmende qualmende Schmieden, wandernde Posten, Kanonenrohre auf Wagen, auf Heu, von Segeln überspannt, einsame schwarze Kugelhaufen. Vor den Hütten kriechende schleppende reitende Söldner, über die Ziehbrunnen schwärmend, schimpfend, Ochsen und Schweine treibend. Übende Fähnlein von Musketieren; Weiber vor Hütten und Erdlöchern an Feuern, kochend, lachend, im Geschrei mit Kindern. Hohe breite Reisewagen, leinenüberzogen, von Reitern eskortiert, über die Äcker in der Anfahrt auf Pilsen, mit Offizieren.
    In der kalten Morgensonne trugen schläfrige Stückknechte auf den Schultern Bandhaken, langstielige Ladeschaufeln, Hebebäume nach dem Artilleriepark herüber. In kleinen Verschlägen klöppelten Tischler an Spannbänken für die Sehnen der Armbrüste. Von Zeit zu Zeit wütendes Gekläff, gelle Menschenrufe.
    Musik; Kompagniefeldspiel im langsamen Schritt vor der Stadtmauer herüber; baßtiefe Soldatenstimmen: »Wir zogen in das Feld, wir zogen in das Feld, da hatten wir weder Säckel noch Geld. Wir kamen vor Siebentor, wir kamen vor Siebentor, da hatten wir weder Wein noch Brot. Wir kamen vor Friaul, wir kamen vor Friaul, da hatten wir allesamt leeres Maul. Strampede mi, strampede mi, a la mi, presente al vostra, signori.« Der Fähnrich spazierte neben dem federwallenden Hauptmann, die Rennfahne am Gürtel vor dem Bauch aufgestemmt, lange Stange mit steifem Blatt, darauf das bunte Wappen des Hauptmanns, junge Vögelchen, aus einem Neste die Hälse reckend. Der Hauptmann ging in ein kleines Haus am Weg, die Kompagnie löste sich.
    Drei Musikanten spielten vor dem Häuschen weiter,

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