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Wallenstein (German Edition)

Wallenstein (German Edition)

Titel: Wallenstein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Döblin
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Schellenspieler Trommler Pfeifer, zierlich die Beine lüpfend, bekleidet mit bauschigen Hosen bis zu den Knien, mit langen seitlich fallenden Schleifen bebändert; an den Füßen spitze Schuhe mit Band und Schnalle. Sie trugen auf den Köpfen große breitrandige Hüte mit Puscheln. Kinder und Hunde liefen um sie.
    Dem Trommler hing über der rechten Schulter der knopfbeschlagene Ledergurt, daran die Trommel vor dem linken Bein. Während die eine Hand lässig auf dem blitzenden Trommelrand lag und fein, wie unwillkürlich, Wirbel rollte, lauter leiser wie eine gurrende Nachtigall, hob sich die andere, rechte, elastisch mit wippenden Bewegungen, warf knappe Schläge hin. Unentwegt die Linke; die Rechte schloß sich ihren langziehenden Wirbeln manchmal an, wie mitgerissen, dann prasselte rasselte sie über das Fell, daß der Trommelsarg über dem angehobenen folgsamen Knie schütterte und ihm bis in die Zehen der Wirbel drang. Er lächelte, seine Augen zuckten. Der Schellenspieler war ein blitzjunger Mensch. Er hielt die linke Hand sanft in die Hüfte gestemmt. Die fliegende Seidenschärpe wehte nach rückwärts um ihn. In der rechten Hand trug er den meterhohen Stock, an der Spitze ein blinkender Stern mit Glöckchenbehang. Er sah, als wenn er vor niemandem spielte, schweifend über die Kinder, schien von nichts gefesselt zu werden. In einer Pose, in die er sofort mit Anmut versank, stand er fest, nichts bewegte sich an ihm, nicht Kopf, Fuß, Rumpf, nur zwei Augen, ihre Lider und der rechte Arm. Und auch der war meist an den Rumpf gedrückt, der Unterarm angehoben; spielendes Handgelenk. Mit den kleinsten Rucken Drehungen wußte er den Schellenbehang zum Zwitschern Klingen Klappern, stolzen lockenden Schmettern wie aus Tausenden Vogelschnäbeln zu bringen; und wenn er seinen Stock wie eine Fahnenstange hochschwang, die Beine wechselte, senkte er den Kopf, blickte trotzig auf seine Schuhspitzen. Der Pfeifer führte sie. Am Bandelier zur Rechten hing ihm die Gabel herab. Er ruhte nicht, folgte selbst seiner Melodie. Sein Mund, seine laufenden Finger ergingen sich, spreizten sich, drückten sich an das runde Rohr. Sie erregten, besänftigten es liebevoll wie ein Tier. Schmachtend blickte er aus schwarzen Augen.
    Unter trübem Regen- und Schneewetter kamen nach Pilsen gefahren Graf Schlick und Questenberg. Sie hatten am ersten Tage einen Besuch des liebenswürdigen Grafen Trzka und Rittmeisters Neumann zu überstehen, die sich im Auftrage des Generalhauptmanns nach Quartier und Befinden, ersichtlich auch nach ihrem Vorhaben erkundigen sollten. Vor den Generalhauptmann von Trzka geführt, hatten Schlick und Questenberg die gleiche schreckliche Empfindung wie einmal Kaiser Ferdinand: daß dieser Mann gegen den Tod rang, der ihm schwere Gewalt antat. Jede Bewegung stieß eine Hemmung nieder; wund die Gelenke, trocken der Körper; Wein und Wasser schüttete der Herzog in sich hinein; es verdampfte wie auf einer heißen Pfanne. Aber keine Spur von Hilflosigkeit, Verbitterung; nur häufiger als sonst Wut und knirschende Ausfälle. Questenberg sah erschüttert, wie er seinem alten Gönner die knochige schwache Hand drückte und streichelte, daß Wallenstein blind war für das, was ihm geschah.
    Der trübe bigotte Schlick gesackt in lauernder Stumpfheit auf dem eigentümlich hohen Schemel, den man ihm zugeschoben hatte. Ein holländisch gebautes Gemach in dem Pilsener Wohnhaus; mattes Tageslicht aus vielen niedrigen Fenstern, weiß-rote Steinfliesen am Boden, Schiffsbilder über der dunkelbraunen Wandtäfelung, auf dem viereckigen grünverdeckten Tisch Äpfel und Weintrauben in Glasschalen. Im Hintergrund in die Wand verschoben niedrig riesig ein Bett, darüber ein grünseidener flacher Himmel. Vor dem Bett der Herzog, verwittert, zittrig. Wein im Becher neben sich, allein auf der Bank. Er vor dem Bett erkundigte sich, seine Lippen auffallend schlaff und lang, die Augen rot und vorgetrieben, mit alter geräuschvoller Heftigkeit nach dem Befinden der Herren, ihrer Reise, der Römischen Majestät, der er bald wieder eine Aufwartung zu machen gedächte. Und ob es wahr sei, daß die Majestät sich von den politischen Geschäften zurückzuziehen gedächte. Schlick sprach von einfältigen Geschichtenträgern. – Der Herzog sich anlehnend: so, der Kaiser betriebe also die Geschäfte wie zuvor, bekümmere sich, nähme an den Beratungen teil. – Schlick sehr ruhig: wie sonst. – Das sei herrlich. Denn er hätte sich Gedanken gemacht,

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