Wallenstein (German Edition)
Eine Reise Ilows mit Wallensteins Leibgarde mußte das Heer noch einmal in ein brütendes schreckvolles Schweigen zurückdrücken. Kurz darauf stießen aber Rotten aus Marradas’ Regimentern bei Budweis gegen abgeirrte spanische Truppenkörper vor, sie kämpften mit ihnen aus keinem anderen Grunde, als damit, wie sie sagten, keiner mehr zu ihnen käme; sie seien schon genug; die Spanier wurden empfindlich geschwächt. Die Entwaffnung der Meuternden bereitete wegen der Mißlaune der Truppen große Schwierigkeiten; es kam hinzu, daß Marradas nur bestimmten Kontingenten Waffen anvertraute, daß er aber, heimlich vor dem Pilsener Hauptquartier, nach Wien sich begab und flehentlich um Remedur der Verhältnisse bat. Es müsse eine Änderung in der Kriegführung eintreten, das Heer brauche kriegerische Ablenkung.
Er war nicht der einzige, der in diesen Wochen verschwiegen die Truppe verließ und nach Wien fuhr. Generalspersonen Obersten Kriegsoffiziere fühlten, daß der Boden unter ihnen schwankte. Ihrer selbst hatte sich zu einem großen Teil eine schlecht verhehlte Verdrossenheit bemächtigt. Um den Herzog scharte sich eine Elite von hohen Personen, seine Vertrauten, ein Geheimzirkel.
Ein Kern alter Offiziere war da, die unter dem Herzog alle deutschen Schlachtfelder abgegangen waren. Hinzu kamen zahlreiche, besonders italienische Herren, auch spanische dänische schottische, die der europäische Ruf Wallensteins angelockt hatte, die den Krieg kennenlernen, den entscheidenden Schlag Habsburgs gegen die schwedische Koalition miterleben wollten, für sich auf Abenteuer und Karriere ausgingen.
Sie wurden vom Herzog mit Geld gefüttert, und dabei blieb es. Von Wallenstein selbst sahen sie nichts. Es hieß immer, er sei krank. Gerüchte liefen, daß er seine Widersacher diplomatisch am Kragen halte und im Begriff sei sie abzumurksen. Man erlebte keine ruhmreichen Schlachten, nicht die ergiebigen Kontributionszüge, von denen sich ganz Europa erzählte, aber ein verworrenes Herumlungern in Schlesien, einen erschöpfenden Lauf nach Furth herunter gegen den Weimarer Herzog, dann Verstecken und Versinken in Böhmen, Winterquartiere Winterquartiere, wie vorher Sommerquartiere Sommerquartiere.
Da verfluchten viele Offiziere wie die Knechte den kaiserlichen Krieg und schlugen sich zu Bernhard. Die meisten aber blieben, an der Futterkrippe hängend, und wie sie blieben, bildeten sie ruinöse Herde der Mißstimmung, der heftigen und ruhelosen Skepsis.
Hier schweiften herum und randalierten die Obersten Montard von Noyrel, Sebastian Kossetzky, Petrus von Losy; Männer, die der Herzog mit Vorschüssen für ein Regiment, andere, die er sogar mit Lehen versehen hatte, kritisierten Politik Taktik Strategie des Generalissimus. Er galt für überlebt, von seiner Krankheit gelähmt, für halb verrückt und verbohrt. Wallenstein war nur eine Ruine; Narren waren sie, daß sie ihm zuliefen, der nur den Namen des »Wallenstein« trug. Es gab bei den böhmischen Truppen eine Anzahl Offiziere, die einen tiefen Haß auf den Herzog warfen, weil sie ihm angehangen hatten und er sie jetzt, in Politik und Diplomatie versunken, wilden aufgeblasenen Gesellen, wie dem von Ilow, aussetzte, die irgendwie seine Gunst ergattert hatten.
Trzka und Ilow erfuhren die steigenden Widerstände im Heer. Den Herzog suchten sie nach Möglichkeit darüber hinwegzutäuschen, und wo er etwas merkte, trieb er sie zu blutiger Entschlossenheit an; er haßte nichts so als Disziplinlosigkeit, sie war ihm zum Ekel. Aber unter dem Druck wuchs der Gegendruck, die Offiziere wechselten ihre Standorte, anderswo flackerte das Feuer auf, oder sie verschwanden und hetzten heimlich tückisch und rachsüchtig.
Schon früher waren der Friedländer und die hohen Generalspersonen Attentaten von heißblütigen Mannschaften oder Offizieren ausgesetzt. Jetzt, seit dem Einmarsch in die böhmischen Winterquartiere, flogen Pfeile in ihre Fenster und Zelte. Warnende Briefe fanden Ilows und Wallensteins Trabanten häufig in den Vorzimmern oder Gaststuben, wo sie nur von Offizieren hingelegt sein konnten. An klaren kalten Tagen ließ sich Friedland durch das Pilsener Lager in seiner Sänfte tragen, besichtigte Fähnlein, hielt bei exerzierenden Rotten, rief Knechte an, befragte unbekannte Offiziere. Es herrschte kein Mangel im Lager, Friedland trieb die Intendanten an, noch mehr von allem herbeizuschaffen: der Soldat, der ruht, müsse gemästet werden, sonst rebelliere er. Und dutzendmal
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