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Wallenstein (German Edition)

Wallenstein (German Edition)

Titel: Wallenstein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Döblin
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fragte er Ilow und Trzka, als ob er mehr wüßte als sie, ob nicht die Offiziere, die jungen, älteren, über ihn herzögen. Er sah seinen Herren unter die Augen; nun, sie könnten über ihn herziehen, neben Profoß und Reiterrecht gäbe es noch eine wirksame Macht: das Geld, das Spiel, den Wein, die Weiber; daß man die Herren nicht verkommen lasse, das Heer verdiene sich das Prassen reichlich. Er erhöhte Sold und Gehälter, seine Sätze waren fast doppelt so hoch als bei einem anderen Heere. Ohne daß die Gärung nachließ und die Neigung, von ihm abzufallen.
    Man wußte, er betreibe leidenschaftlich den Friedensschluß, er brauche das Heer so wie es hier war; und seine Umgebung erfuhr auch, wie das Heer, besonders die ausländischen Truppen, darüber dachten: eines Morgens wehte vor Friedlands Quartier in der Sachsengasse in Pilsen eine Fahne mit den Kirchenfarben, darauf war gemalt: »Wallenstein, der Friedenspapst.« Einmal hing quer über dem Tor seines Hauses an einem Tau eine abgehäutete blutige Katze; darunter ein Fetzen Zeltleinwand mit der Schrift: »Wir haben kein Fell mehr, wir können nicht kratzen, wir hängen hier gut.«
    Nur Neumann, Friedlands Sekretär, erfuhr von dem gräßlichen Getümmel, das in Wolfegg bei Pilsen entstand, als eine von Ilow herbeigerufene Kompagnie hier eingerückt war. Die unruhigen Truppen lockten eine Anzahl der herkommandierten Neulinge in eine mächtige Scheune, angeblich zu einem solennen Begrüßungstrunk. Dann war aber in dem Saal nirgends gedeckt und aufgetafelt, dicht stand Mann bei Mann; die neuen verschwanden völlig unter den andern. Sie erhoben, indem an mehreren Stellen zwei drei übereinanderkletterten, auf den Schultern ritten, von diesem Podium in der Scheune ihre Stimme, schmähten, verlangten Aufklärung. Ihnen gegenüber schwangen sich die Meuterischen hoch. Die sonderbaren Menschengestelle rückten und wanderten in dem durch Strömungen zerrissenen Gedränge gegeneinander, kamen voneinander ab, schwangen die Arme, Degen gegeneinander. Man hatte sich jäh aneinander entzündet. Das Gebrüll auf die herkommandierten »Verräter!« wurde allgemein. Wie sie oben fochten, schrie man, sie sollten entwaffnet werden. Man stürzte die wandernden fechtenden schlagenden Menschensäulen, im Gedränge stieß man sie nieder. Schweden seien die Leute Ilows, wurde gerufen, sie seien Lumpen und Hundsfotte, wollten auf Kosten der andern sich fett machen, man brauche keine Mörder und Profosse mehr. In der sinnlosen Erregung brachen die Meuterer den größten Teil der Scheune ab, zündeten die Balken an und warfen die Waffen – Musketen, Piken, Partisanen – der überwältigten fremden Kompagnie hinein, machten sich daran, geradewegs in die Stadt zu stürmen, um zum Herzog zu dringen.
    Neumann, von der Lagerwache alarmiert, ließ die Stadttore stark besetzen, Feldgeschütz dahinter auffahren. Er selbst mit kleiner Begleitung fing die tumultuösen Truppen mitten im Lager auf; er war ins Lager hineingeritten, um der drohenden Gefahr einer Ausbreitung des Lärms bis zum Herzog zu begegnen. Ein dunkles Gefühl sagte ihm, daß im Lager jede signalgebende Erregung momentan niedergehalten werden müßte. Er tat, während ihn die Meuterer mit Fackeln auf freiem Stoppelfeld umstellten, als überhöre er ihren Ton und sähe nicht die durchstochenen Hüte und herausfordernd auf Stangen getragenen Wehrgehänge entwaffneter Ilowscher; er wandte sich scheltend an die fünf gefangen mitgeführten Leutnants und Fahnenjunker jener Kompagnie: was sie sich ankommen ließen, in Wolfegg zu erscheinen. Ihre Antwort, es sei ihnen befohlen, überdonnerte er. Sie sollten sich fortmachen, ihre Eigenmächtigkeit würde sie teuer zu stehen kommen. Seine eigene Begleitung nahm die gefangenen Offiziere in die Mitte und führte sie in die Stadt ab. Eine Handvoll Mannschaften der Torbesatzung hatte den sofortigen Abmarsch der neuangerückten Kompagnie zu überwachen. Unter triumphierendem Geschrei zogen die Rebellen zurück. Neumann ritt finster in die Stadt, weihte nur Ilow ein.
    Der Vorfall hatte sich kurz nach Schlicks und Questenbergs Besuch in Pilsen abgespielt. Die Vertrauten des Herzogs wußten, daß von kaiserlicher Seite das schwelende Feuer geschürt wurde, ohne daß sie Bestimmtes feststellen konnten. Unter ihnen war man einer Meinung, daß lange der Zustand nicht in der Schwebe bleiben könne; es könnte dahin kommen, daß Meutereien auf das ganze Heer übergriffen. Ilow verlangte einen

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