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Wallenstein (German Edition)

Wallenstein (German Edition)

Titel: Wallenstein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Döblin
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Brachfelder hin. So mußten sie sich aus ihrer Heimat winden.
    An Wegkreuzungen, unter Mariensäulen tauchten Männer auf, zerlumpt, wie Bettler aussehend, mit gefährlichen Knüppeln; sie waren geschickt vom alten Grafen Thurn, dem geflohenen Rebellenführer, der in Sachsen, Brandenburg und Holland agitierte. Verhöhnten die Wandernden, um sie aufzustacheln: »Wo zieht ihr hin? Wie seht ihr aus! Hat euch der Kaiser euer Land abgekauft? Hat euch viel gezahlt, daß ihr es eilig habt damit, daß man euch nichts raubt. Wieviel ist es, wieviel ist es?«
    »Zigeuner, Zigeuner«, lachten sie schallend hinter ihnen her. Und dann ballte es sich vielen vor Schmerz und Verzweiflung in der Brust; die Schultern wurden ihnen schwach, die Knie lose. Das war die Straße! Nach Wegstunden schlängelten sich wieder, auf Maultieren kauzend, die Lumpen heran, boten: »Gelobt sei Jesus Christ.« Die hörten stumm über den papistischen Gruß weg. »Seid ihr Heiden?« »Hat man euch die Zunge schon ausgeschnitten?« »Ah, die Frommen, es sind die Frommen. Von Trautenau, von Königgrätz, von Braunau. Die Aberfrommen; denen die Herren Jesuiter nicht fromm genug waren. Da ist ja Simeon von der Nadlergilde. Hast du die Lade aufgeschlossen, Simeon, die Pokale eingesackt?« »Simeon, seid nicht stolz, ich bin Wanderbursch, Herr Meister, biet Euch ehrbaren Gruß und Mundsprach.« »Die würdige Jungfrau Faustina, schau an, schau an, im Wagen, bei ihrem Herrn Vater; will selbst auf die Freite gehen in Sachsen, vergesse sie mich nicht.« »Ein Schuhknecht gefällig, eine Totennadel gefällig, Junker Schön, daß Ihr fest und gefroren seid, wenn Euch einer anfällt, maßen beim Chausseenwalzen?« »Allesamt ehrsame strenge Herren, Mühmchen, Bäschen, Gott zum Gruß. Die ganze Chaussee entlang die liebliche Kompagnie. Willkommen zwischen unsern Pfählen. Das Dach habt ihr vorsorglich mitgebracht.«
    Peitschen schlugen von den Wagen nach ihnen; Steine sausten gegen sie.
    Sie wichen aus: »Landstraße, Landstraße! Brüderlein! Schwesterlein! Bräutlein! Wollt ihr mit, Hände beschauen, Göldrian verkaufen und Enzian?«
    »Mühmchen Walpurga, Mühmchen Walpurga, du zartes, zierliches, komm herunter von deiner Frau Mutter. Bist kein Säugling mehr, lüpf dich zu mir. Hab’ einen großen Wulst von einem Italiener gestohlen, bündel ihn dir um den Leib, unter den Rock; verdienst mit mir Heller und böhmische Groschen. Was schenkst mir für meine Lehr’?«
    Wie sie neckend und geifernd herumsprangen, die Kappen hoben, die Beine wetzten, fuhren ihnen Flüche nach aus den Mündern der ruhig schreitenden Männer, der Sackträger mit den schweißtriefenden Backen, der Greise hinter den Hundekarren. »Der Gottseibeiuns über dich Schelm!« »Meister, das ist herrlich gesagt. Euch kann es nicht fehlen. Ihr tragt Euer Glück im Mundwerk herum.«
    »Verflucht säuischer Schalk.« Da rekelte sich einer eitel im Feld, affektiert die schmutzigen unbewickelten Füße spitzend: »So bin ich verflucht, und Ihr nehmt meinen Dank an. Schaut mich: ich bin durch Euren Spruch nicht besser geworden, Meister. Es hat noch nichts genutzt; bin noch nicht schöner, nicht dicker, nicht artiger geworden. Wißt Ihr nichts anderes?«
    »Stinkiger Lotterbub, tückischer Hund, gottvergessener Dieb.«
    Kopfschüttelnd folgten sie in Entfernung, behaglich schwärmend, den finster Explodierenden: »Noch immer nichts, noch immer nichts.«
    Die Steine sprühten, sie meckerten von weitem: »Wir werden euch füttern müssen, wenn ihr’s nicht besser lernt. Was wollt ihr mit Hunden? Haben sie euch gebissen in Tschaslau, in Königgrätz?«
    Bei Leitmeritz weitete sich das Elbetal, dichtblättrige schwerträchtige Obstbäume; grünende, braune, bläulich schillernde Reben auf den Hängen, Dörfer, Dörfer. Dahinter die langausgezogenen Bergreihen, umdünstete Kegel. Steiler wurde der Weg. Rechts und links der Radobil und Lobosch; Fichtenwälder. Die Nelken wuchsen wild; Maria hat sie auf dem Weg nach Golgatha geweint. Wo war nun Mütterchen Prag. Kleine Brunnen flossen vorbei; das näselnde Männlein, das daneben sitzt im grünen Rock, ohne Daumen an der linken Hand, es näht seine Stiefel, hat rötliches Haar; es führt einen Topf für die Seelen der Ertrunkenen. Höher und höher, liebe Berge, liebe Fichten, liebe Quellen. Wie türmte sich das Gebirge auf, um sie nicht herauszulassen. Keiner sprang um sie, hier pfiffen nur Vögel. Kühler Nadelwald, Dörfer, die noch friedlich lagen vor

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