Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wallenstein (German Edition)

Wallenstein (German Edition)

Titel: Wallenstein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Döblin
Vom Netzwerk:
den Kommissionen, Herrensitze, grüne Matten, Gehöfte. Und wie man noch eben die Füße über den satten Boden hatte schleifen lassen, als sauge man ihn ein, Schluchten und Wälle seufzend heruntergeblickt hatte, dehnte sich eine verwandelte platte Ebene vor ihnen aus, in die die Wagen, die Tiere Männer Kinder Frauen hineinfuhren, wie in ein Nichts sinkend, in dem sie selbst verschwanden, vom Himmel zur Erde und nach beiden Seiten gereckt. Die Stimmen verklangen, die Farben verliefen; Flächen, Flächen, menschenfremd, unnahbar für Lebendiges.
    Blaugrüne Büsche der Sumpfkiefern umgingen sie ahnungsvollen Herzens, nach Heidepflanzen faßten sie, die die Finger stachen; der Moorboden wippte, sie tänzelten, schwankten. Blickten rückwärts, fingen an zu erschrecken, sahen die schwarzen Wälder nicht mehr. Unheimlich die Luft. Aus dem Boden vor ihnen krochen arme Leute hie und da; Hämmer Piken und Eimer schleppten sie, grauer Staub, Erze; sonderbare Höhlen, mächtige Haldengänge, ungeheure Pingen. Tiefer sank der Boden ab, die Wagen rollten leichter, von Welle auf Welle sank der Boden, Moorheiden, finster verschwiegene Wälder. Langsam sanken sie alle, den Atem verhaltend, in ein fremdes Gebiet hin, hinüber.
    Man rollte über die weiten kahlen Hochflächen, trauriger, aufgelöster. Voran tummelnd auf Pferdchen häßliche kroatische Reiter, trabten hinterdrein. Die wilden schiefen Pelzkappen auf dem Haar, das in schwarzen Locken hoch wirbelte; mit den Füßen kneteten sie den Leib ihrer braunen Tiere; auf und ab arbeiteten in den grellweißen Leinhosen, hohen Stiefeln ihre Beine. Sie jagten mit Peitschen und Piken den Zug ab, kreisten ihn ein wie Schäferhunde. Hatten die Necker ihr Spiel zu treiben aufgehört, kreischten die fremdländischen Befehlrufe der unverständlichen Soldaten. Fluch; man duckte sich. Und doch verlor sich die Angst vor ihnen, je mehr man sich der Grenze näherte und abwärtsstieg. Man sah mit Angst und Unruhe, wie dies geschah: wie sie sich von der Spitze zurückzogen. Bald werden sie verschwunden sein, nach Böhmen hinein, zurück in die liebe Heimat, sie werden die grünen Matten wiedersehen, und wir stehen draußen. Unwillkürlich verlangsamte sich das Tempo des Vorrückens; die Kroaten hetzten; da und dort brach man heimlich Wagenachsen entzwei, versperrte ganze Straßen. Der Weg ging schon in Straßen abwärts und man hätte rasen können, statt dessen türmte sich der ganze Troß unbeweglich auf. Mit heimlicher Süßigkeit blickte einer den andern an, wehmütig streichelte man sich, sammelte Steine vom Weg, küßte die dürftigen Zwergkiefern; den Rabenschreien lauschte man, als wäre es Wundergesang. Welche drangen bittend in die Reiter, daß sie sie hier verweilen ließen, dachten nicht, von wo sich ernähren. Manche blieben liegen. Wütender jagten die Kroaten, legten selbst Hand an; diese Gegend war ihnen zuwider. Und die wandernden Böhmen, als wenn ihnen ein Unglück bevorstünde, schoben sich übereinander, wurden gesprengt voneinander, kamen elend vorwärts, bremsend, bremsend vorwärts.
    Bis am Morgen ein schreckliches fernes sinnenbetäubendes Glockenläuten hinter einem Bergzug, der noch schmal vor ihnen lag, mit einigen Windstößen herschwang, unter dem die Berittenen gelle Freudenschreie ausstießen und sich schmetternd anlachten.
    Sachsen! Die ersten weißen armseligen sächsischen Dörfer!
    Die Begleitrotten zogen sich auf allen Seiten von der Karawane zurück; dann brausten sie unter Geheul, in den Sätteln hängend, von hinten, seitlich gegen die Wagenkolonnen. Spieße Beile Riemen in den Händen. Hieben, lustig krächzend, die Augen rollend, rechts und links, schlugen sich Wege, zerwühlten den Zug, warfen Wagen hügelabwärts. Pferde gingen hoch. Sachsen!
    Weiberheulen von seitwärts, rückwärts nach vorwärts, rollte sich verzehnfachend nach rückwärts. Man trieb schrie wirbelte um sich selbst, ließ liegen, was sich nicht bewegen wollte. Die schrecklichen Glocken läuteten den ganzen Tag. Die Kroaten tobten bergaufwärts. Hinüber hinunter. Und als man die Grenze überschritten hatte, die sächsische Landstraße vor den Füßen lag, endloses Lärmen. Flehen, Händeschlagen an der Spitze des Zuges.
    Sie wurden wie von Meereswellen nach vorne gespült, schwammen drängten schoben sich rückwärts.
    Die benachbarten sächsischen Dörfer und Städte hatten Ratsmannen mit Brotkarren, Prädikanten an die Grenze geschickt, die Glaubensbrüder, die Märtyrer zu

Weitere Kostenlose Bücher