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Wallenstein (German Edition)

Wallenstein (German Edition)

Titel: Wallenstein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Döblin
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mit trübem Gesicht unter die Leute des Abends, hörte ihnen zu, fing an. Sprach von den Köpfen auf dem Altstädter Brückenturm, beschrieb das Leben und den Tod der Männer, traurig, mit innerem Anteil, dabei stumpf und sichtlich verzweifelt. Erzählte, was er gehört hatte gestern und vorgestern aus der Heimat, ließ nichts aus; das Weinen bekümmerte ihn nicht, das sich um ihn erhob. Sprach nicht, um aufzuhetzen; ließ sich nur gehen vor ihnen; sein schweres Temperament hatte ein Fressen gefunden am Unglück seines Vaterlandes. Betrübt sah er, wie die Weiber wegschlichen, wie man ihm auswich. Bald erlebte er es, daß man ihm zuschrie beim Reden: »Genug!« Die Weiber, die noch herumstanden, schluchzten, die Männer hoben mit wütenden Mienen gegen ihn die Arme, gingen gegen ihn vor: ob er plane, mit ihnen ein Spiel zu treiben, ob sie nicht elend genug seien. Man brauchte dem Daniel Lukšan nicht lange zu drohen; er hörte, man wollte ihn nicht, ging.
    Und hinter den drei her das hitzige Gerede: das waren die Herren, für die wir gebrannt wurden; es ist ihnen noch nicht genug, wir sollen noch einmal ins Feuer! Herren, die Böhmen ins Unglück gestürzt hätten; sie hätten sich den fremden Pfälzer verschrieben, um besser ihr wüstes Selbstregiment zu führen; wollten einen König, um ihre krummen Sachen gerade zu machen.
    Wie es unter ihnen gärte, wurden sie vom alten Grafen Thurn überfallen und so ergriffen und geschüttelt, daß sie wie ungezogene geschlagene und heulende Kinder an den Wänden standen und nicht wußten, was ihnen geschehen war. Denn dem alten Thurn bedeuteten sie nichts; ihm war nichts gewisser, als daß Böhmen in sehr naher Zeit sich glanzvoll wieder erheben werde über Habsburg; er schlang den Faden, dies war seine Arbeit und sein Beruf. Als er hörte, was im erzgebirgischen Kreise, im Vogtlande sich ereignete, erfaßte ihn eine Wut über die Aufsässigen Undankbaren Gedankenlosen, die nicht zwei drei Jahre warten konnten; Tausende im Lande hatten sich verblutet, und diese im Asyl rebellierten. Er kannte viele von ihnen persönlich; auf seinen Reisen als Direktoriumsmitglied war er die Dörfer abgefahren, um die Kreisaufgebote zu überwachen. Jetzt saß er in seinem kleinen niedrigen Wagen, die Pferde lenkte er selbst, der grauhaarige kleine schmale Mann mit den mongolisch vorspringenden Backenknochen, den trüben schwarzen Augen und der hellen schrillen Stimme. Die silberne Peitsche hielt er in der Faust; so schrie er die Leute zusammen, und jedesmal wieder, wenn sich die Leute zögernd zueinanderstellten, befiel ihn die Wut über sie, er schmähte sie in dem wohlbekannten heimischen Idiom, überhäufte sie mit jedem gemeinen Schimpfwort. Wer schlaff und unehrerbietig in seiner Nähe stand, den schlug er vom Bock aus mit seiner Peitsche und war imstande ihm nachzuspringen. Ohne ein Wort ihrer Widerrede abzuwarten, fuhr er weiter, drohend und noch nach rückwärts schimpfend. In einigen Dörfern, von deren Gottlosigkeit er gehört hatte, hüpfte er vom Wagen, warf einem Beliebigen in der Nähe, alten oder jungen, die Zügel zu, eilte in ein offenes Haus, verlangte, den Tisch mit der Peitsche klopfend, die Bibel zu sehen. Und wo man zögerte, sich drehte, maulte, riß er selbst Laden Schränke Truhen auf, holte das Buch heraus, schlug es, wer ihm in die Nähe kam, an den Kopf, und das Buch in die Mitte des Tisches legend schwur er mit greller, weit gehörter Stimme, die Bibel bleibe hier draußen liegen; er werde, so gewiß er der Graf Thurn sei, den eigenhändig niederschlagen, der es wagen sollte, das Buch zu verstecken.
    Eines Sonntags traf er, nur mit einem halbtauben Kammerdiener reisend, einen Trupp Böhmen auf der Dorfstraße lungern und würfeln; sein Pferd bäumte sich, hitzig hatte er die Leine gezogen. Kochend, eine Bestie von Angesicht, stand er vor den tief erschrockenen Burschen, die er mit wuterstickter Stimme anfauchte, denen er mit der Faust unter der Nase fuchtelte. Jagte sie in die Kirche; er bedaure, keine Hunde wie Wolfsstirn zu haben, um sie zu hetzen. In dem Kirchlein war kein Pfarrer; er sperrte sie ein; nach zehn Stunden holte er sie; sie hatten kein Wörtchen darüber verloren.
    Die böhmischen Zustände in Sachsen gewannen ein besseres Ansehen. Größere Rüstigkeit machte sich unter den Flüchtlingen bemerkbar. Sie begannen sich wieder anzuschauen, zu grüßen, nach dem Ergehen zu fragen. Sie schämten sich ihrer früheren Schlaffheit, hatten unbegrenzte Liebe

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