Wallenstein (German Edition)
zu münzen. Die Münze stand still aus Mangel an Material. Die Herren hatten sich aus dem Spiel zurückgezogen.
Als ganze Züge von Söldnern, die abgelohnt wurden, sich weigerten, das lange Geld anzunehmen und auf der Prager Brücke und in der Altstadt meuterten, weiteten sich die Herzen des Volkes. Die vor Hunger sterben wollten, nahmen ihre Wut zusammen. Man jubelte, wo die Randalierenden sich auf den Straßen sehen ließen, sie, die Gefürchteten Gehaßten. Man freute sich, daß sie die Backstuben und Schlachthäuser erbrachen. Der lange erwartete Sturm auf die Münze erfolgte von Bettlern in ganzen Regimentern, Gesellen Söldnern Meistern Kaufleuten, als hätten sie ein Signal bekommen. Die Kanoniere an den Geschützen, rechtzeitig benachrichtigt von den Münzmeistern, liefen davon; kein Schuß fiel. Und als man in die Vorratskammern und an die Prägestöcke kam: kein Stück Silber in Kästen und Körben. Sie zerschlugen brüllend die Schränke mit den Formen. Die Nachfolgenden, wütend, warfen sich auf die ersten, sie hätten gestohlen, sollten hergeben, teilen. Sie faßten sich an die Hälse. Die Masse warf sich in die Nachbarstraßen, wogte rachsüchtig vor das Landschaftshaus, vor den Palast des Gouverneurs. Da war im weiten Umkreis Kavallerie aufgestellt, untermischt mit Musketenträgern. Einige Ladungen streckten soviel hin wie der Hunger an mehreren Tagen. Zwei Stunden lang schossen die Soldaten über die leeren Straßen.
Der Reichshofrat zögerte nicht, den Beschluß zu fassen, dem der Gouverneur von Böhmen zustimmte, den Wallenstein längst angeraten hatte: den Staatsbankrott zu erklären. Durch Dekret wurde, auf Plätzen und Straßen verkündet, der Gulden auf den sechsten Teil seines Wertes herabgesetzt, nur drei Monate durfte die lange Münze laufen, dann war sie verfallen.
Und nun sahen die Böhmen ihre Armut, wußten, daß sie besiegt waren. Das Elend klafterte auf sie nieder, die gesättigten Herren ließen sie los. Saßen mit leeren Händen; neue riesige Kirchen standen zum Beten offen.
Der Haß wurde in die Massen gehetzt; Schuldner und Gläubiger verstanden sich nicht, der Geldwert verwirrt, auf den Schlichtungsämtern standen sie nebeneinander, spien sich an.
Dies war noch ein Nebengewinn für die Anstifter. Die Götzenbildsäule, Liechtenstein, empfing Michna, murmelte ihm zu: »Das Volk wird sich jetzt leicht regieren lassen. Es ist zwar arm, aber dafür ist es kraftlos. Wir können noch mehr Truppen entlassen.«
DER GRÖSSERE Teil des Infanterieregiments Rudolf Colloredo, einige Kompagnien des Dragonerregiments Neuhaus wurden abgedankt.
Aus den Summen, die an Wallenstein geflossen waren, ersteigerte er neue Güter; streckte die Hand nach dem freiwerdenden Besitz im Nordosten aus; Friedland und Reichenberg Welisch Swijan Gitschin kamen an ihn aus dem Nachlaß des Redern. Das Geld, das an ihn floß, hielt er nicht zurück. Als sein Besitz so groß geworden war, als er dem Kaiser neunzigtausend Gulden für die Abdankung des Regiments Holstein vorgestreckt hatte, dazu noch unaufgefordert die Kavallerie bezahlte, war der Wiener Hof ihm eine Standeserhöhung schuldig. Man zeichnete ihn vor den übrigen böhmischen Edlen, die an der Unterwerfung Böhmens gearbeitet hatten, mit dem Fürstentitel aus. Der Serbe wurde belohnt durch Aufnehmen in die böhmische Kammer.
Liechtensteins Ansicht, daß das Volk anfange, weich zu werden, schloß sich der kaiserliche Hofrat an, indem er befahl, nunmehr neue besondere Steuern auszuschreiben. Die Räte in Wien waren übler Stimmung über die Unordnung in Böhmen; die Schwierigkeiten waren nicht zu beheben. Auf Gurland, dem Schatzmeister, und dem Abt Anton lag das Entsetzen; die Schuldenlast verminderte sich nicht; dazu hing neuer Krieg in der Luft. Abt Anton wandte sich durch den Gouverneur an die reichen Herren des Landes; die schwiegen, taten, als ob sie ratlos wären. Sie wußten auch, daß neuer Druck gefährlich war, da sie nicht allein in Böhmen hausten; ringsum wohnten Bauern, in deren Schränken sich auffällig viel Morgensterne Schlaghämmer Sensen sammelten. Man fing Boten ab von Bethlen Gabor, dem protestantischen Fürsten von Siebenbürgen, geschickt an die Böhmischen Brüder; sie sollten nicht verzagen, nicht verzagen.
Eine Getreidekontribution wurde ausgeschrieben. Michna, der Kammerrat, hob noch einmal die Sense zum Schnitt. Er hatte keine Furcht. Er fragte in Wien an, was man von ihm verlange, wenn er den Wert der ganzen
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