Wallenstein (German Edition)
Stadtoberst, stieß leise mit dem Degen auf und räusperte sich. Man blickte auf ihn; er sah ohne Bewegung seinen Vettern in die verwirrten Gesichter.
Das Dokument mit dem Zeichen Ferdinands gab mit langem Arm stumm Liechtenstein dem Sprecher der Herren zur Einsicht. Er machte eine weite Abschiedsbewegung mit Öffnung der Hände. Die Herren, lippenkneifend, die Augen verschleiernd, verbeugten sich tief. Unter denen, die sich am tiefsten verneigten, war auch der schönlockige Slawata.
IN DER SYNAGOGE saß Bassewi mit fünf alten Männern der Gemeinde zusammen. Er hatte ihnen lange zugehört; er riet, so viele Gelder aufzubringen für den Kaiser, wie sie ohne Schaden vermöchten; mit Böhmen sei es zu Ende; sie müßten, müßten. Die andern wackelten sorgenvoll die käppchenbedeckten Köpfe; einer sagte gegen seine Füße: »Prag hat reiche Leute und schöne Giebel. Aber eines Tages wird es uns gehen wie der Verwandtschaft in Frankfurt, wenn wir zu stolz sind. Man wird uns auf dem Friedhof zusammenjagen, unsere jungen Leute werden sich an den Türen für uns und unsere Weiber totschlagen lassen, ein Trompeter wird blasen und uns über die Brücke zur Stadt hinausführen.«
Ablehnend hob ein anderer die Schultern: »Und wie lange sind die draußen geblieben? Wie lange hat der grausame Lebkuchler, der Fettmilch, Giftmilch sollt’ er heißen, triumphiert gegen den Kaiser Matthies? Waren’s zwei Jahre, waren’s drei Jahre. Dann ist wieder der Trompeter dagewesen, hat vor der Stadt geblasen, durch alle drei Tore sind die Verwandten wieder in die lieben Häuser gezogen.«
Bassewi lächelte fein: »Die Calvinischen, Reformierten und wie sie sich nennen, sind heraus aus dem schönen Land; ist Platz im Land geworden. Man kann sich gut ausdehnen; ich denke, wir werden nicht immer in der Stadt in einem schmutzigen Winkel in der Finsternis sitzen wollen. Sie haben um ihres Jesu willen die Christen herausgejagt mit großen Hunden und mit den Dragonern des bösen Wolfsstirn; warum sollen sie nicht um desselben Jesu willen uns hereinlassen?«
Einer der Männer machte ein mitleidig spöttisches Gesicht: »Möglich wär’s.« »Möglich ist’s«, lehrte Bassewi, »sicher ist’s, sie tun’s.«
Der von Fettmilch erzählt hatte, summte, mit dem Kopf unzufrieden wackelnd: »Und lassen sie uns herein, so lassen sie uns herein. So geh’ ich doch nicht herein. Laß sie in ihrem Land sitzen und sich wohl fühlen. Es ist uns nicht beschieden, uns hier anzusiedeln. Werd’ ich mich versündigen an Gottes Wort und mein Glück im Lande Böhmen suchen. Was steht geschrieben vom Lande Böhmen? Wo steht etwas geschrieben vom Lande Böhmen? Nirgends. Werd’ ich ein alter Narr sein, aus meinem Haus gehen, mich in Böhmen ansetzen.«
Sein Nachbar: »Und wie lange denkst du und deine Kinder hier in der Finsternis zu sitzen?«
»Solange wie Gott will. Was werd’ ich fragen? Ist doch alles klar für uns Juden. Wird es heißen, wir sollen wieder das Bündel schnüren, nach Jerusalem wandern – gelobt, gelobt sei unser Herr –, so werd’ ich’s tun. Wird es nicht so heißen, werd’ ich sitzenbleiben und werd’ wissen, ich muß doch warten.«
»Und deine Kinder, Moses?«
»Was ist mit meinen Kindern? Sie sollen tun wie ich. Sie werden Geduld haben. Der Herr vergißt uns nicht. Sie werden nicht dicke Christen werden und sich mit Gesindel vermischen.«
Bassewi blickte lange vor sich hin: »Der Herr segne deine Geduld, Moses. Ich meine, wir werden nicht vergessen, an den Herrn zu denken, wenn wir im Licht sitzen mit unseren lieben Kindern und Enkeln und mit unseren Weibern und allen Verwandten. Wir werden fröhlich sein und doch an Gott denken.«
»Wer wird fröhlich sein, zwanzig Jahr, dreißig Jahr, und an Jerusalem denken. Bassewi, du bist ein kluger Mann, unser klügster und tüchtigster, bist auch unser Richter und Vorstand. Aber glaube mir: gehen sie hinaus in die Stadt oder aufs Land unter die Christen, so sitzen sie im Licht, aber sie werden kriechen vor dem Christ, um ebenso im Licht zu sitzen wie er, und sie werden sich schämen, beschnitten zu sein. Möchten lieber mit Wasser begossen sein und Judäa, ach, das werden sie verkaufen für ein kleines Dorf in Böhmen.«
Sie seufzten zusammen. »Was meint Ihr«, sang Bassewi, »wenn wir wollen, können wir vom Kaiser einen Brief bekommen, daß wir Handel und Handwerk treiben auf dem Land, auf den Dörfern, an den Märkten.«
Laut weinte plötzlich der am äußersten auf der
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