Wallenstein (German Edition)
Getreidekontribution erwerbe. Michna, nach Abtragung seiner Schuld an die Judenschaft wieder im Besitz ungeheurer Summen, ein blinder Eber, so stürzte er vorwärts, um die Distanz zu den übrigen auszugleichen. Bassewi Liechtenstein berechneten schon den Ertrag seines Nachlasses, denn er würde von den Bauern erschlagen oder von der Hofkammer entlarvt werden. Aber er war verzaubert, sein Herz verkrampft. In sein kleines ärmliches Haus in der Neustadt war eine geringe Wohlhabenheit gestiegen; er hielt sich einen Reiterjungen für sein Pferd, eine alte Kutsche für seinen schweren Leib. Seinen Eltern schickte er unbedeutende Summen, duldete nicht, daß sie ihn besuchten. Mit Vergnügen ging er in die Paläste seiner Geschäftsfreunde; das schien ihm alles kindisch und verächtlich. Eine schmerzartige Wut befiel ihn nur in dem Schlosse Wallensteins; von hier nahm er einen Stachel mit; dieser Oberst baute aus einem Überfluß heraus, so frech, so aufreizend, daß er vor seiner schönen heimwehkranken Frau schmähte: dieser Oberst sei eine Schande für das Land, es sei schon recht, wenn ihn die Bauern beseitigten; es sei ein Hohn auf alles, was unter Menschen billig sei. Der Anblick des Schlosses Wallensteins, der Grimm über die erlittene Gewalt war es, der Michna kopfüber auf die Getreidekontribution stürzte. Sie fiel ihm zu um den Preis der Brotlieferung an sämtliche in Böhmen stehenden Truppen. Michna rannte vorwärts. In dem Staub hinter seinen rasenden Füßen ließ er seine Konsorten zurück. Er hatte sich nicht über die Größe der Kontribution und über seinen Gewinn auszuweisen; hatte nur das Brot zu einem niedrigen bestimmten Satz zu liefern. Michna gab sich nicht willenlos in die Hände der Bauern; er besaß Erfahrungen aus dem Silberhandel. So wie er im Beginn seiner Laufbahn über die Schlösser gezogen war, stellte er sich an die Spitze von Söldnertrupps; kalt und hart beaufsichtigte er Äcker und Saaten, ließ Widerwillige Säumige in Eisen legen, von ihren Gütern reißen, bewirtschaftete selbst. Er stieß sie morgens im Dämmer aus den Betten, schloß ihre Vorratskammern auf, prüfte die Güte des Saatkorns. Nie kam ein Tröpfchen Glück in ihn; gepeinigt vergrämt und gehetzt warf er sich, wo er sich fand, in einer Hütte neben Soldaten an den Boden; neidisch dachte er seiner stillen Frau in der Stadt. Ihn trieb nur die Lust, Menschen zu unterwerfen, in großem Besitz zu sein, die betrügerischen Bauern büßen zu lassen.
In diesem Jahre wurden zwei Millionen Gulden aus Böhmen erpreßt. Unruhig bewegte sich das Volk. Fester spannte sich die Hand um die Kehle Böhmens. Damals machten einige Leute den Versuch, sich der Krone entgegenzustellen. Es kamen eine kleine Zahl Landesoffiziere Oberbeamte Landrechtsbeisitzer, vom jammernden Volk überlaufen, im Landschaftshaus zu Prag zusammen; im Sitzungssaal warf sich einer von ihnen in die Brust, schwor, sie seien Vertreter der böhmischen Stände; man schriebe Steuern aus, verkündige, ohne sie zu fragen; rechtlich ungültig sei solch Vorgehen. Andere ließen sich hinreißen; die Herren saßen in ihren Ämtern, sie hielten etwas von sich und ihren Ämtern, waren beleidigt. Manche erklärten scheu, man müsse sich des Volks erbarmen, das Land werde gänzlich ausgesogen. Nach zwei Zusammenkünften war man einer Meinung: wenn neue Steuern ausgeschrieben und verkündet würden, seien zuerst sie zu befragen; sie seien nicht gewillt, sich ihr Recht aus den Händen winden zu lassen. Sie verfaßten ein Schreiben heimlich vor Liechtenstein und den militärischen Behörden, dahingehend, die neuerliche Publikation einer Weinsteuer und Ochsensteuer sei eine unerhörte Steuerung, sie verstoße gegen ständische Privilegien, sie legten Protest dagegen ein. Die Herren faßten die Sache von der formalen Seite; planten einen Kompetenzstreit auszufechten. Sie unterschrieben im Namen der böhmischen Stände.
Der Abend, an dem der Fürst Liechtenstein die Deputation der fremdblickenden Herren empfing, war der fröhlichste, der ihm in Böhmen beschieden war. Er sagte am Tage darauf zu dem Stadtobersten von Prag: »Die Herren sind nicht so im Unrecht. Man muß sich in ihre Gedanken hineinversetzen. Ich kann nicht umhin, das zu bemerken.« Wie die Szene verlaufen wäre. »Ich habe ihnen sogleich gesagt, die Sache schiene mir so dringlich und so ernst, daß ich nicht werde umhin können, sie ohne weiteres der Hofkammer weiterzureichen. Und sie stimmten mir zu.« »Sie
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