Wallenstein (German Edition)
bemitleide, der keinen Strick zum Hängen wert sei. Gegen den Serben wurde ordnungsmäßig vorgegangen, seine Frau warf man aus dem Haus. In diesem Augenblick setzten sowohl der Holländer wie der Judenprimas ihre ganze Energie ein, um einen weiteren Fortgang der Sache zu verhindern, von der sie nicht wußten, ob der Oberst sie bloß seines Vorteils wegen oder aus Rachsucht betrieb; sie waren beide nach ruhiger Überlegung der Meinung, daß der Böhme nur seinen Vorteil im Auge hatte. Denn er hatte auch sonst, trotz seiner gräßlichen Leidenschaftlichkeit, nie einen ernsthaften Handel gestört. Bassewi bot im Namen der Prager Judenschaft, die sich von einer allgemeinen Haussuchung bedroht sah, dem Oberst einen ungeheuren Rohsilberbetrag für die Zwecke der Münze an, wenn die Sache niedergeschlagen würde. Von Wallenstein fand das, seinem alten Helfer Bassewi die Hand streichelnd, erstaunlich von der Judenschaft, denn wie denke sich die Judenschaft schadlos zu halten? Er schien nicht geneigt, den Serben loszulassen. Als ihm erklärt war, daß von Michnas Teil ein Betrag abgezogen würde, wurde die Haftentlassung Michnas von dem herzlich amüsierten Oberst in Aussicht gestellt. Sie erfolgte nach einigen Wochen. Michnas Teilhaberschaft am Münzkonsortium verblieb. Der klägliche Serbe schlich sich, von de Witte geführt, in das Haus des Obersten, um zu danken. Der war verwundert, daß der Serbe schon entlassen war, freute sich mit ihm über den guten Ausgang der Angelegenheit. »Was hab’ ich?« jammerte der Serbe, als er neben de Witte zwischen den fürstlich gekleideten Trabanten des verschwenderischen Obersten auf die Gassen ging, die von hungernden Menschen belagert waren, »ich muß wie ein Bauer arbeiten, um den Juden ihr Geld wiederzugeben.« »Wißt Ihr, Herr, mit einem Mann wie dem Obersten soll man es nie verderben. Ihr werdet sehen, es wird Euch gut gehen, wenn Ihr zu ihm haltet. Es gibt noch große Möglichkeit in Böhmen. Wenn die Leute auch etwas hungern.«
Das Silber wurde knapper. Der Preis stieg. Michna, geängstigt über den Ausgang der Sache, schlug selbst vor, neue Mitglieder zu suchen. Sie wurden allmählich vierzehn; ihre Namen waren nur wenigen aus dem Konsortium bekannt. Der alte Fürst Liechtenstein trat ein – der Oberst arrangierte es –, um im Interesse des Kaisers seine Hand im Spiel zu haben; dann ergriff ihn die Leidenschaft; er konnte nicht mehr heraus.
Der schmerbäuchige hartstirnige Münzmeister, der uralte Wřesowitz, der auch Kammerpräsident war, wurde hineingezogen; die Umtriebe konnten ihm nicht verborgen bleiben. Er, der sein Amt verrotten ließ, drängte sich gierig vor, die Gesellschaft war gesichert, er segelte bald auf dem Schifflein Fortunas.
Der Schwindel ergriff das Konsortium; man rollte einem Abgrund zu.
Gemietete und freiwillige Aufkäufer von Silber flitzten durch das Land, drangen in die Bauernhäuser; mancher von ihnen ließ sein Leben für zehn Dukaten. Eine Anzahl Glücksritter, das Attentat auf das Volk ahnend, organisierte auf eigene Faust Banden, die sich Soldatentracht anlegten; unter dieser Maske zogen sie auf Raub aus. Kaiserliche Trompeter verkündigten auf den Plätzen, alles Silber müsse abgeliefert werden an die Münze; darauf verschwand es unter dem schwülen Gerücht der Dinge, die umgingen, jäh aus dem Verkehr. Schon wurden für einen Reichstaler vier neue Gulden geboten. Das Mißtrauen im Volk wuchs rasend; verstört fragte einer den andern aus. Man fragte überall, wo die Kammer sei, wo Wřesowitz sei; Vertreter der Zünfte, der Kaufmannschaft liefen auf die Ämter, bestürmten die ihnen bekannten Landesoffiziere. Bekamen Lachen und mitleidiges Achselzucken zur Antwort, es verliere ja keiner bei dem Sturz des Geldes, bleibe alles so. Für immer? Für immer! Und einige glaubten es, die meisten ließ die Furcht nicht los, sie sahen ihr Hab und Gut ohne Öffnung der Tür aus den Stuben gestohlen. Die schrecklichen Gerüchte nahmen kein Ende, daß hinter den Silberaufkäufern eine Wuchergesellschaft stecke, der sich der Kaiser in seiner Geldnot mit Haut und Haaren verschrieben hätte; daß die Jesuitenpater dahintersäßen, Rache an den Böhmischen Brüdern zu üben.
Daß man in einem Sack saß, der täglich fester zugeschnürt wurde, erfuhren alle an jedem Morgen: der Hunger stellte sich ein. Die Stadtarmen lungerten aufsässig auf den verbotenen Märkten herum, ihre Sterzermeister erklärten, keine Gewalt über sie zu haben; es stürben zu
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