Wallenstein (German Edition)
flüsterte Meggau: »Laßt Euch nichts merken, die Böhmen brauchen nichts merken.« Schallend lachte der andere: »Der Herr weiß nicht, daß ich selbst Böhme bin.«
Man zog sich vor ihnen wie Schnecken ins Gehäuse zurück. Meggau wurde erbarmungslos von dem andern vor die verwüstete Münze geschleppt; als ein Rittmeister sie auf den Friedhof zu den Niedergeschossenen und sonst Füsilierten führen wollte, lehnte der pelzvermummte Rat müde, Gurland bissig ab.
»Gibt es Zauberer hier?« fragte Meggau eines Abends den Gouverneur, bei dem sie zu Gast waren. »Vielleicht«, lächelte der vieldeutig. »Ich möchte«, träumte Meggau vor sich, »einen Zauberer oder eine Wünschelrute finden, um Geld zu heben in Böhmen.«
Sie waren fassungslos über die Schamlosigkeit dessen, was sich ihren Augen bot. Gurland selber wollte Hals über Kopf abreisen, Meggau, pedantisch, melancholisch, an langsames Minieren gewöhnt, hielt zurück. Sie pürschten hinter Michna, den Friedländer, Liechtenstein, Wřesowitz. Meggau drohte: »Das Geld werden wir langsam wieder aus ihnen herausziehen.« »Warum langsam? Rasch ist es gesunder für die Herren; und zwar seht, so.« Dabei machte Gurland schmerzdurchtobt die Bewegung des Aufhängens.
Als die beiden Wiener Herren lärmschlagend in Prag auftraten, wurde auch Liechtenstein kalt und drohend; als sie verlauten ließen, sie würden eine Untersuchung über die Prager Affären beantragen, behandelte man sie als Luft.
Schweres Ringen am Kaiserhof. Es war klar, daß das Geschick Habsburgs bald wieder in den Händen des Bayern lag, wieder und wieder des Bayern, dem man den Kurfürstenhut hatte geben müssen und der eines Tages mehr begehren würde. Man schrie, wehrte sich, drang in den Kaiser.
Die unbeugsame Ruhe Ferdinands, der wie ein unverbrennbares Tier seinen schleimigen bunten Leib durch die schwelenden Kohlen zog. Seine grausige Sanftmut; sie wußten, er wollte Rache nehmen an Maximilian, den er den Feinden als ersten opfern wollte, selbst um den Preis, daß Habsburg verloren ging.
Nachdem er sich einige Zeit umgeblickt hatte, trat ein erschreckendes Wesen, der Fürst von Friedland, aus seinem Bau. Er hatte sich aus Abneigung über die Ohnmacht und Haltlosigkeit seiner böhmischen Sippengenossen, dieser phrasenreichen Haufen, gegen sie gestellt. Gewalttätigkeiten machten ihn früh berüchtigt. Dann wurde er katholisch, nahm ein krankes reiches Weib zur Frau, die ihm wegstarb und freie Hand gegen seine Umgebung ließ. Die mährischen Stände waren so töricht, ihm im Kampf gegen den Kaiser seine Regimenter zu belassen; er verriet sie, suchte seine Truppen zum Kaiser überzuführen: wollte sich des mährischen Landtags in Olmütz bemächtigen, desselben, der ihm die Regimenter gegeben hatte. Nur mit dem Rest eines Fähnleins, acht Munitionswagen, Regimentsfahnen und sechsundneunzigtausend Mark in der Kasse schlug er sich, selber verraten, nach Wien durch, saß eitel am Tisch des Kaisers; der ließ ihn angewidert heimlich abschieben, warf das Geld den Ständen nach. Abscheu und Gelächter, wo sich der von Wallenstein sehen ließ.
Vor der Prager Schlacht war die Hoffnung der jungen Böhmen ein königlich stolzer reichbegnadeter Mann gewesen, ein Hans Georg von Wartenberg, der nicht dreißig Jahr alt war. Als Kriegskommissar bereiste er beim Anrücken der Katholischen zwei Landkreise, nachdem er sich aus dem schwelgerischen Treiben der englischen Elisabeth auf dem Prager Schlosse gelöst hatte. Wie die Schlacht verloren war, plötzlich, ehe er noch seine Ausgehobenen dem Heer zugeführt hatte, umringten ihn im Standquartier die befreundeten Männer und Frauen, aus der Nachbarschaft zusammenströmend; aller Gedanke war nur an ihren Abgott. Sie flehten ihn an, zugleich wie Mütter und wie Kinder, zu fliehen. Wenn alles verloren ginge, er solle bleiben; gefangen war, woran sie sich halten konnten; er möchte leben, fliehen. Leidend fügte er sich, empfand als Kränkung, daß man gerade ihn fortschickte, konnte nicht verstehen, wie gerade diese Frauenstimmen so in ihn drangen, war halb verzweifelt, daß sie letzten Endes auch Verräterinnen an der großen Sache seien. Er war gewohnt nachzugeben. Ritt nach Sachsen. Kaum einen Monat hielt es ihn, da verschwand er aus Dresden; heimlich gelangte er über die Grenze, als er schon von den Landleuten entdeckt war. Aus den Nachbarstädten überholten ihn Sendboten, erzählten vergraust von den Prager Vorgängen; er fluchte, schlug um sich,
Weitere Kostenlose Bücher