Wallenstein (German Edition)
Berechnen, Belauern nicht herauskam. So groß war sein Anhang zwischen Elbe und Moldau, daß er jedem, der ihm widerstrebte, hätte den Garaus machen können, und weithin ruchbar, nicht verschwiegen wie das Münzkonsortium, war, wer in seinem Gefolge stand. Demonstrierend lud er seine Herren zu sich ein, und es fehlte keiner von den Machthabern des Landes. Die kaiserlichen Verwalter kamen hinzu mit der Pflicht, an diesem Tisch zu repräsentieren, um nicht ganz zu verschwinden.
Er fing an, in aufsehenerregender Weise mit seinem Geld umzugehen. In seiner Stadt Gitschin setzte er ein Gymnasium hin, dazu in Kürze ein Alumnat, ein Armenhaus, Hospitäler, ein Kolleg für vierzig Jesuitenväter. Ließ verbreiten, daß er vorhabe, aus Gitschin eine bischöfliche Residenz mit Kathedralkirche zu machen. Vom Wiener Hof hatte er erlangt, daß sein Fürstentum Friedland einen besonderen Appellationsgerichtshof erhielt; nahm in dem Land eine Reform von Verwaltung und Rechtspflege vor. Prunkend baute ihm Meister Andreas Spezza ein Haus am Fuß der Prager Königsburg auf dem Hradschin, wozu er sieben Häuser des Klosters Sankt Thomas und zwanzig Bürgerhäuser niederriß. Man erzählte, daß er sich als Sonnengott oder römischen Imperator malen ließ.
Wie Wallenstein unbeschäftigt im Lande seine Hände rührte, träge wartend, umspielt von seinen Offizieren, belauert von den reichen Männern und Machthabern des Landes, näherte sich ihm die schwermütige weiche Figur Wilhelms von Slawata, seines Vetters. Dieser Mann, von Verachtung über sein Land geschüttelt, hatte Wallenstein zum Henker Böhmens erkoren und wollte ihn bewegen, in zwei drei Jahren niederzustrecken, was gegen den Kaiser noch Widerspenstiges in Böhmen lebte. Dieser Mann aus edlem altböhmischem Geschlecht war zum kaiserlichen Beamten geworden, ohne einen Finger danach bewegt zu haben. Von der Universität und der Kavaliertour durch Oberitalien zurückkehrend, wurde er Landschaftsoffizier, Vertrauensmann der Martinitz und anderer, die den Abfallbewegungen des Landes die Spitze boten. Slawata hielt zu ihnen, weil er den Tumult verabscheute. Neben ihnen ging er mit langen Schritten, schweigsam, ein schwermütiges dunkelgetontes Gesicht, starke braune Brauen, unter denen weite blaue Augen lagen, deren kalter Ausdruck gut stimmte zu dem breiten Mund mit den eingekniffenen Ecken. Immer standen senkrecht über der Nasenwurzel zwei tiefe Falten; die Stirn zog sich zu ihnen zusammen, sie verfinsterten das Gesicht und ließen nicht den Blick zu auf die schöne Schwingung der Kieferlinie und das Grübchen am Kinn. Er trug auf dem schultersinkenden dunkelblonden Haar ein schwarzes niedriges Samtbarett. Den fleischigen Hals trug er bloß; er bog leicht den Kopf wie lauschend nach vorn und nach links, während er das linke Auge halb zufallen ließ, das sich in der Spalte zitternd hin und her bewegte. Seine rechte beringte Hand, viel weißer als das Gesicht, hielt sich an dem Besatz des violetten schweren Mantels fest, dessen breiter kostbarer Hermelin seine weichen, teilnahmslos abfallenden Schultern überzog. Er war mit Wallenstein eins gewesen in den Angriffen auf das rebellische böhmische Volk; aber der Fürst schenkte dem Volk nicht die geringste Aufmerksamkeit, auch der Verachtung nicht. Slawata, sein Vetter im dritten Grad, verlangte haßvolles Einschreiten, Knebelung. Er liebte keine Frau und kein Kind, haßte nur Böhmen, weil ihn Rebellion anwiderte und die Rebellion ihn, als er sich gegen sie stellte, mit ihren schmutzigen Händen angefaßt hatte. Der Anblick der elf vermoderten Köpfe auf dem Brückenturm gab ihm nur geringe Genugtuung. Mit Freuden hatte er das Münzkonsortium am Werk gesehen, tief beglückte ihn der Zusammenbruch des Königreichs. Es mußte noch mehr geschehen, noch mehr. Um zu erfahren, was der Fürst trieb, besoldete er friedländische Kammerdiener; die belanglosen Sachen, die sie ihm überbrachten, regten ihn tief auf.
Er suchte den Fürsten in der Meierei Bubna bei Prag auf, konnte sein Herz nicht zurückhalten. Der Edle fiel den andern, der schläfrig schien, an wie ein Ringer einen geölten Menschen, an dem er zu Boden stürzt. Ein kurzes Gespräch bebte zwischen ihnen. Wallenstein, mit ihm zwischen den Ulmen spazierend, mit dem Stock in dem hohen Herbstlaub wühlend, dankte apathisch; er maße sich nicht an, die kaiserliche Politik zu forcieren. Aber sie hätten gemeinsam dafür gekämpft, und es hieße nur den Kampf vollenden. »Oh«,
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