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Wallenstein (German Edition)

Wallenstein (German Edition)

Titel: Wallenstein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Döblin
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Linz, Schlüsselamt in Krems, Rentamt in Steyer, Vizedomamt in Linz, Landgrafenamt in Wien. Von allen waren Vorschüsse erhoben, von den niederösterreichischen Ständen Darlehen, von den böhmischen Magnaten, von den Juden, Niederlassungsgelder von den Kaufleuten. Hohe Subsidien vom Papst.
    Aber ein Sieb! Regimenter, Regimenter, Regimenter! Sie waren nicht zu entbehren, und wenn sie zu entbehren waren, waren sie nicht zu entlassen aus Mangel an Sold. Erzherzogliche Deputate, prachtheischendes verschwenderisches kaiserliches Hoflager. Abt Anton und Gurland in maßloser Erbitterung über Böhmen, konfiszierte Güter auf fünf Millionen veranschlagt, nur eine Million darauf aufgenommen, ganze vierhunderttausend Gulden vom Gouverneur Liechtenstein abgeliefert.
    Unter dem Druck der Kriegsgerüchte, nach Wochen stummen Herumrechnens, hilflosen Keuchens vor Folianten, wütenden Beiseitewerfens von Mahnbriefen der Obersten, verzweifelten Vertröstens von Gläubigern rechts und links in der festdurchjubelten Burg steckte Gurland seine zittrigen Beinchen in die starken Reiterstiefel eines deutschen Kavaliers; die Sporen schienen nicht aus Silber, sondern Blei; breit und schwerfällig stieg er, pumpte seine Beine durch die dunklen Bogengänge. Grämlich lugte er, von Stockwerk zu Stockwerk schwankend, auf den Boden. Umgestürzte Gamaschen hob er mit jedem Schritt hoch. Auf seinem rauchenden Kopf saß ein niedriger Hut mit ungeheurer hinten herabsinkender Krempe und Federsträußen. Ein sehr breites verbrämtes Wehrgehenk hatte er angetan, sein weißer Halskragen war schmal wie ein Band und stand nach rückwärts in die Höhe unter die Hutkrempe. Und wie er in die Stube des Obersthofmeisters hineinpolterte, hatte der nur einen Moment Zeit, sich über die abenteuerliche Gestalt des Eindringlings zu wundern, dann stürzten schon die giftigen hitzigen Worte ihn an, trieben ihn aus seinem Sessel. »Herr Graf von Meggau«, schrie der stirnrunzelnde Kavalier ihn an, »wofür habt Ihr das Goldene Vlies? Wofür seid Ihr zehn Sachen auf einmal, Statthalter von Niederösterreich, Kämmerer, Geheimer Rat und sonst was? Soll ich das mit ansehen, was hier geschieht, und den Mund halten wie eine Nonne? Es behagt mir nicht, ich sag’s Euch mit einem Wort; Schelmereien stehen mir nicht.« »Was habt Ihr, Herr Gurland?« »Leere Säckel, leere Säckel, Herr Geheimrat. Und ist alles kein Geheimnis mehr, Herr Geheimrat, und werde es nicht bei mir behalten. Die Ställe voll, die Herren Jesuiter Stiftungen über Stiftungen, die niederländischen Maler malen ein freches Bild nach dem andern, die Jagden, die Stechereien, Bankette: ich sehe die Schelmereien nicht an. Nicht länger. Dafür die böhmische Münze ruiniert, daß ein paar Stunden noch lustiger und herzhafter einhergehen in Wien. Ihr wißt es. Es sind Schelmereien.« Der todblasse kleine Meggau hielt sich rückwärts am Sessel fest: »Wer will von Schelmereien reden?« »Der Kaiser weiß es nicht. Der Kaiser weiß es nicht. Ihr spielt mit mir nicht so. Sonst muß ich, wie ich hier bin, zum Leibdiener laufen, um eine Audienz bitten und reinen Wein einschenken.« Er schrie zornstammelnd, strampelnd, daß seine Federsträuße schlugen: »Wo soll das hinaus? Sprecht. Seht mich nicht so an. Ich...« Der beladene Mann hielt sich an einem Stollenschränkchen fest; er war schwindlig in seiner Wut. Meggau schob ihm einen Sessel hin. Mit einem Sporen stieß der tobende Kavalier gegen die Füße des Sessels: »Ich brauche Eure Sessel nicht. Die Mißwirtschaft, die verruchte!« »Scheltet nicht mit mir. Scheltet mit dem Kaiser.« »Ihr seid allesamt nicht wert, daß ihr seinen Namen in den Mund nehmt. Er könnte zehnmal mehr verbrauchen, als er tut, wenn sein Geld nicht in fremde Taschen flösse. Die tausend Diebe Hehler und Abenteurer, das ist eine christliche Welt. Die Pest soll sie alle befallen.« »Herr Gurland, warum kommt Ihr zu mir?« »Ihr werdet mit mir gehen, jetzt, nach Prag, das Land beschauen. Wir müssen Geld auftreiben.« Versteinert stand der Geheimrat: »Ja, das müssen wir.« »Ja, das müssen wir«, höhnte Gurland in praller Wut; »ratet lieber wo, wo, wo. Zieht Euch an. Erbittet Urlaub.« Der Rat bat: »Ich komm schon.«
    Sie fuhren durch die herbstlichen Chausseen, nur sechs Mann Wiener Stadtgarde beritten waren ihre Bedeckung. Sie sahen massenhaft Felder, die brachlagen, weil die Ackerer verjagt waren; Gurlands Augen schossen rechts und links. Bevor sie in Prag einfuhren,

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