Wallentin, Jan
Schätze, die sich in längst vergessenen Dokumenten verbargen.
Die gleiche desillusionierte und leicht traurige Miene.
Sie wandte
sich wieder dem Geschwisterpaar zu und fand, dass sie keine Zeit zu verlieren
hatte.
»Ich komme
mit«, entschied Eva.
Sie war an
Dons Seite auf einen Stuhl gesunken. Er antwortete nicht, aber sie konnte
sehen, dass er erleichtert war.
»Man kann
ja sogar manchmal verstehen, was Sie sagen«, meinte Hex.
»Doch dann
fahren wir nicht mit dem Zug«, erklärte Eva. »Denn das erscheint mir keine
besonders gute Idee zu sein. Wer ist eigentlich darauf gekommen?«
»Sie
werden bestimmt zufrieden sein«, versicherte Hex ihr.
Eine Weile
lang hörte man lediglich das Rauschen der Computer.
»Don?«,
fragte Eva.
Don
zögerte und sah seine Schwester an. »Darf ich ...?«
Hex
nickte. Er räusperte sich:
»Wir
werden in einem eigenen Abteil reisen, so kann man es vielleicht ausdrücken.«
»In einer
Art Güterwaggon«, räumte Hex ein. »In einem Güterwaggon?«, fragte Eva. »Mein
Augenstern«, erwiderte Hex.
Sie tippte
die Adresse einer Website ein und bedeutete Eva, mit ihrem Stuhl näher
heranzurollen, um besser sehen zu können. Als Eva sich dem Bildschirm näherte,
öffnete sich eine grünweiße Website mit dem Text:
Green
Cargo - Logistiklösungen von Kunde zu Kunde
»Wenn Sie
irgendjemandem etwas davon erzählen, Eva Strand, werde ich Sie für den Rest
Ihres Lebens verfolgen.«
»Das
könnte stressig werden«, entgegnete Eva.
»Okay, es
ist folgendermaßen.«
Hex zeigte
auf den grün weißen Bildschirm.
»2001
wurde die Staatliche Eisenbahn in sechs verschiedene Unternehmen
aufgesplittet. Die alte Abteilung für Gütertransporte, SJ Gods, sollte den
Marktverhältnissen angepasst werden, wie sie es ausdrückten, und wurde in die
Aktiengesellschaft Green Cargo umgewandelt. Eine ziemlich unübersichtliche
Transaktion, unter anderem was das Computersystem betrifft. Ich habe sie mit
großem Interesse verfolgt und irgendwann die Gelegenheit genutzt, einen von
ihren ungefähr siebentausend Waggons zu klauen.«
»Sie haben
einen Waggon gestohlen?«
Eva konnte
die Skepsis in ihrer Stimme nicht zurückhalten. »Sie hat sich einen Waggon
geliehen, kann man wohl sagen«, meinte Don.
»Okay,
dann eben geliehen«, stimmte Hex zu. »Ich habe mir Zugang
zu Green Cargos unglaublich fehlerhaftem System verschafft und eine
geringfügige Veränderung vorgenommen. Man kann es vielleicht kreative
Buchführung nennen.«
»Kreative
Buchführung ...?«, wiederholte Eva.
»Sie
müssen wirklich an Ihrem Tick arbeiten«, befand Hex.
Sie
klickte die Seite mit dem Logo von Green Cargo weg und öffnete so etwas wie ein
Flowchart. Dann fuhr sie fort:
»Es war
eigentlich eher eine Art Test, um festzustellen, ob man das System manipulieren
kann. Doch das wirklich Gute an dem Güterwaggon war, dass Green Cargo nicht
kapiert hatte, nein, dass sie immer noch nicht kapiert haben, dass ich ihn
geklaut ... ausgeliehen habe. In ihrem System scheint er
einen ganz normalen Gütertransport auszuführen, wenn ich ihn benutze, und wenn
ich ihn nicht benötige, instruiere ich das System, ihn auf einem Nebengleis
zusammen mit anderen abgestellten Waggons auf einem Bahnhof hier in der Nähe
von Kymlinge zu deponieren. Man benötigt lediglich ein paar simple Codes, die
anzeigen, dass der Waggon gebucht oder in Reparatur ist, dann lassen sie ihn in
Ruhe. So geht es inzwischen schon mehrere Jahre.«
Sie zeigte
auf eine blinkende Zifferfolge.
GC
21-74-2262098-9
»Ich nenne
ihn Silberpfeil«, erklärte Hex.
»Aber in
einem Güterwaggon zu reisen ...«, meinte Eva.
»Es war ein
Güterwaggon«, erklärte Hex. »Jetzt ist er zu einem ... tja, einer Art Hobby
geworden, kann man sagen. Abstellplätze für Eisenbahnwaggons sind relativ
unbewacht, deshalb konnte ich ihn in den letzten Jahren etwas umbauen.«
»Jetzt sag
schon, wie es ist«, drängte Don sie.
»Na ja ...
er hat wie gesagt immerhin ein Abteil, und ich kann dafür garantieren, dass
man ziemlich ungestört in ihm reist. Anfänglich hab ich ihn überwiegend im
Inland benutzt, doch als mir die Bedeutung des Schengener Abkommens und der
offen stehenden Grenzen bewusst wurde, bin ich ganz schön in Europa herumgekommen.«
Als Hex
sah, dass Eva immer noch den Kopf schüttelte, schloss sie das Flowchart und
wendete sich wieder ihrer Tastatur und den anderen Bildschirmen zu.
»Glauben
Sie doch, was Sie wollen, Eva Strand. Aber jetzt muss ich
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