Wallentin, Jan
dann rauschte es, und die Schiebetür fiel hinter ihnen ins
Schloss.
Ohne etwas
sehen zu können, ließ Eva ihre Finger entlang der Kisten gleiten, während sie
sich vorsichtig vorwärtsbewegte. Als sie an die hintere Wand des Waggons stieß,
reichte der Platz nicht einmal aus, um sich umzudrehen.
»Oben nach
links«, flüsterte Hex.
Die Worte
mussten an Don gerichtet sein, denn Eva konnte spüren, wie er sich über ihr in
Richtung Decke reckte, woraufhin ein metallisches Klicken ertönte und
schließlich etwas über den Wagenboden schabte, als die linke Seite der
Masonitfassade stückweise weggeschoben wurde. Dann erklang das wohlbekannte
gleitende Geräusch einer altmodischen Zugtür, die sich seitlich öffnete.
Sie spürte
Dons Finger um ihr Handgelenk und wurde nach links in eine Türöffnung
hineingezogen. Evas Absätze sanken in eine weiche Unterlage ein, als Hex'
Stimme erklang:
»Wo zum
Teufel ist er nur ...? Dort...?«
Ein warmes
Licht erfüllte den Raum, und Eva hatte das Gefühl, in ein Zeitloch gefallen zu
sein, denn in gewisser Weise war es, als würde sie nach Hause kommen.
Vor ihnen
erstreckte sich ein zehn, nein bestimmt zwölf Meter langer Eisenbahnsalon mit
einer Täfelung aus schmalen lasierten Teakholzbrettern. Auf dem tiefroten
Teppichboden standen neben einem runden Tisch mit Perlmuttintarsien zwei
Clubsessel aus schokoladenbraunem Leder mit hohen Lehnen. Etwas entfernt stand
ein Esstisch aus verschnörkeltem Zedernholz mit sechs bequemen Stühlen. An der
linken Längsseite hingen gerahmte Kupferstiche von indischen Palästen und
Patriziervillen, während entlang der rechten Wand ein zierliches Bücherregal
aus Edelholz verlief. Es war vollgestellt mit zerlesenen Krimis im Taschenbuchformat.
Eva machte
ein paar Schritte vor und nahm ein Buch aus dem Regal.
»Agatha
Christie ...«, las sie leise. »Ja, aber es war eine Heidenarbeit.«
Hex'
Stimme veranlasste sie, sich umzudrehen. Die Schwester stand immer noch in der
Türöffnung.
»Mord im
Orientexpress«, erklärte Hex. »Ingrid Bergman, Sean Connery, Lauren Bacall ...«
Hex
klopfte oberhalb des messingbeschlagenen Schlosses gegen das gefrostete Glas
der Abteiltür. Dann ging sie langsam an der linken Seite des Salons entlang
und schaltete eine Wandlampe nach der anderen ein, die neben den Kupferstichen
montiert waren.
»Und
natürlich Albert Finney als Poirot. War 'ne verdammte Arbeit, alles originalgetreu
herzurichten.«
»Ich
verstehe«, pflichtete Eva bei.
Sie schob
den Krimi von Agatha Christie zurück ins Regal und versuchte sich zu sammeln.
»Die 30er
Jahre waren besondere Jahre«, sagte sie dann und lächelte.
Ganz
hinten an der Schmalseite des Waggons stand ein Mahagonischrank, dessen Türen
Hex nun öffnete. Im Schrank befand sich so etwas wie eine Pantry: eine kleine
Arbeitsfläche mit zwei Kochplatten, Regale mit Gewürzen, Geschirr und Töpfen
sowie darunter zwei Kühlschränke aus gebürstetem Stahl.
Don war
der Schwester gefolgt, die beiden Kanister über den Teppich schleifend, die er
jetzt in den linken Kühlschrank hineinhievte. Als er den rechten öffnete,
konnte Eva einige Weinflaschen und diverse Reihen mit Dosen und Konserven
erkennen.
»Sie
liegen hier schon ein paar Monate, aber ihr werdet keine Zeit haben
einzukaufen«, erklärte Hex. »Und seid sparsam mit dem Wasser.«
Dann ging
sie zurück durch den Salon und zog die Tür zur engen Masonitpassage auf. Aus
dem Dunkel ertönte ein Klicken, woraufhin sich eine weitere geheime Wand
entfernte und auf der anderen Seite des Waggons das Licht angeschaltet wurde.
Eva
schaute Don unschlüssig an, doch er bedeutete ihr lediglich mit einem Nicken,
Hex vor ihm zu folgen.
Als sie
auf die rechte Seite des Güterwaggons hinüberkam und eine weitere gefrostete
Glastür zur Seite geschoben hatte, stand sie in einem wohnlichen Abteil. Zwei
Schlafwagenbetten waren übereinander an der Wand ausgeklappt. Neben dem
unteren befand sich ein Nachttisch, auf dem ein Laptop stand. Über beiden
Betten hingen Leselampen mit orangefarbenen Porzellanschirmen, und wie im Salon
war der Boden mit einem Teppich in tiefem Rotton bedeckt.
Hex hatte
sich mit einer dünnen Aktenmappe auf dem Schoß auf die Bettkante gesetzt. Sie
öffnete den Reißverschluss, nahm ein Kuvert aus ihrer Jackentasche und legte es
in die Mappe.
»Ich
denke, ihr solltet eure Kreditkarten als vorübergehend gesperrt betrachten«,
sagte sie und zog den Reißverschluss wieder zu. »Ich gebe euch mit,
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