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Wallner beginnt zu fliegen (German Edition)

Wallner beginnt zu fliegen (German Edition)

Titel: Wallner beginnt zu fliegen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas von Steinaecker
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ein Zimmer in einer Pension.
    Man geht Feldwege entlang zwischen Wiesen.
    Man geht durch den Wald.
    Man läßt die Füße ins Wasser baumeln.
    72
    12. Februar
    Traum: A. und ich an Küste in Portugal. Schön.
    73
    Es gilt, zufällige Begegnungen wie überhaupt jeden Kontakt mit den Wigets und insbesondere Wiget zu vermeiden. Das ist schwierig. Man wohnt im selben Viertel. Aber: Man kennt die Gewohnheiten der Wigets, insbesondere die Wigets. Seine Wege und die von ihm frequentierten Orte gilt es zu umgehen. Rigoletto , wo sich die Ehepaare hin und wieder trafen, das italienische Restaurant, Kieser , das Fitneßstudio, Tengelmann , den Supermarkt im Gewerbepark, wo beide Ehepaare am Samstag ihren Großeinkauf machten, der Mann hilft der Frau. Für den Fall einer zufälligen Begegnung mit Wiget oder Astrid hat man sich Möglichkeiten zurechtgelegt.
    A) Man grüßt kurz und höflich und fährt mit der Tätigkeit fort, mit der man gerade beschäftigt ist.
    B) Man beginnt ein Gespräch und tut so, als hätte es die letzten Jahre nie gegeben, man erkundigt sich, man vereinbart.
    C) Man beginnt ein Gespräch und beharrt auf dem, was vorgefallen ist, man stellt Wiget oder Astrid zur Rede wegen intrigantem Verhalten und Verrat an der vormals mehr als freundschaftlichen Beziehung.
    Hin und wieder ruf Wiget oder Astrid an. Deswegen hat man seine Handynummer geändert und geht auch zu Hause nicht mehr ans Telefon. Ana hebt dann ab. Früher hat sie, weil man sie darum bat, gesagt, man sei gerade nicht zu Hause, man sei in Nigeria. Jetzt scheinen Wiget und Astrid nicht mehr nach einem zu fragen, sondern unterhalten sich mit Ana einfach so, über alltägliche Probleme, Urlaubspläne, die Kinder. Man fragt da nicht nach. Man schnappt hin und wieder etwas auf. Ana trifft sich ja mit Astrid, vielleicht auch mit Wiget regelmäßig. Das ist bekannt. Solange sie erzählt, daß Nigeria ein Erfolg ist, ist es gut. Patrick studiert Maschinenbau in München. Maximilian arbeitet bei einer Bank in Erlangen und ist verheiratet, Wiget und Astrid fahren noch immer regelmäßig in die Türkei, der Wert der Aktien der Firma stagniert seit Jahren, wie man ja auch aus dem täglichen Studium der Aktienkurse in der Zeitung weiß. Witte ist inzwischen in Pension, er hatte die ersten beiden Weihnachten nach dem Ausstieg vor der Tür gestanden und einen Freßkorb als Geschenk mitgebracht; insbesondere die Becks, die Breitenbachers sowie weitere Teile der Belegschaft schicken zum Geburtstag und zu Weihnachten Karten mit Vordruck und eigenhändiger Unterschrift. Das ist alles.
    Wichtig ist: Es gilt auszuharren. Ana hatte nach seinem Ausstieg vorgeschlagen umzuziehen, nach Regenburg oder München zum Beispiel, man könnte auch nach Bukarest gehen. Bukarest sei nach dem EU-Beitritt wirklich eine schöne Stadt geworden.
    Ein Umzug wäre die Offenlegung der eigenen inneren Verfassung.
    Manchmal stehen Autos in der Einfahrt der Wiget-Villa, der rote Golf der Wittes zum Beispiel, und sind im Vorbeifahren die Umrisse von Gestalten in den Fenstern des Wohnzimmers und der Küche zu sehen, bei denen es sich um van Riet, Resch sowie um Angestellte von Wallner & Wiget handeln könnte. Witte wird selbstgebackenes Brot zum Verzehr beim gemeinsamen Abendessen mitgebracht haben. Frau Beck wird Fotos ihres Sohnes Justin und seiner Familie vorzeigen. Man wird zusammen essen, trinken und lachen. In solchen Momenten sieht man klarer. Vormals nicht als solche wahrgenommene Intrigen und Täuschungsmanöver der Vergangenheit werden jetzt entlarvt.
    Der Anfang der Freundschaft im Wohnheim: höchstwahrscheinlich echt, aber zweckbedingt, da Wiget sonst keine Freunde (gute) besaß.
    Die Übernahme der insolventen Firma in Ulrich Wigets Heimatstadt dank des über Wallners Großeltern beschafften Kredits: von Anfang an vom Gedanken bestimmt, den eigentlichen Kopf (Wallner) des Projektes nur so lange zu gebrauchen, bis die Firma auf eigenen Beinen stehen und somit auch von weniger kompetenten Kräften (Wiget, van Riet, Resch) übernommen werden kann.
    Die Pläne zur Fusionierung und zum Gang an die Börse: nur mitgetragen, um Verbündete gegen Wallner zu formieren.
    Die Einbindung in die Familie Wiget inklusive gemeinsamer als harmonisch empfundene Abende und Ausflüge: der Gewinn von Wallners Vertrauen, um einen besseren Einblick in seine Gedankenwelt, Pläne, Wünsche plus Gefühle zu erhalten.
    Zu diesem Komplex gehörend: das Arm-auf-die-Schulter-Legen, ein Ausstellen der Zuneigung,

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