Wallner beginnt zu fliegen (German Edition)
gelaunt ist, sie habe mit Costin telefoniert, setzt sie an.
Wallner unterbricht Ana, er dreht sich ihr jetzt frontal zu, damit sie sein Gesicht sieht, er sagt mittellaut: „Bitte, laß mich damit zufrieden“, Ana faßt ihn an den Schultern, sie sagt mittellaut: „Nix böse sein, nix Gesicht machen, Stefan lustig sein, einmal lächeln bitte, Herr Wallner, habe ich da nicht eben etwas gesehen, war das nicht, doch das war, Ohhhh! Herr Wallner hat doch gerade gelächelt, oder?“
Wallner sagt laut: „Laß mich in Frieden damit, ja? Fünf Minuten. Ja? Siehst du denn nicht, daß ich das jetzt nicht haben kann?“
Das Öffnen der Haustür und das Stehen, fröstelnd, auf der Matte, der Blick dabei auf das gegenüberliegende Zweifamilienhaus mit den heruntergelassenen Rolläden, hinter deren Spalten Licht brennt, ist der Ersatz für einen Schlag mit der Faust in Anas Gesicht, so daß sie kurz vor Überraschung und Schmerz aufschreit.
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12. September
Nigeria. Vorbereitung.
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13. September
Nigeria. Vorbereitung.
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14. September
Nigeria. Vorbereitung. Angst.
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Als Wallner Ndou aus seiner Hütte folgt, haben sich die Gläser der Brille, die er gegen seine zunehmende Weitsichtigkeit vor seiner ersten Reise zum Kinderdorf bei Port Harcourt bei dem von Witte empfohlenen Optiker Brunner in Regensburg gekauft hat, wegen des grellen Sonnenlichts schnell eingedunkelt. Wallners Augen flimmern ein wenig. Er hatte noch ein persönliches Schreiben aufgesetzt, das später vom Verwaltungsgebäude des Kinderdorfes aus an eine von ihm zusammengestellte Adressenliste früherer Geschäftspartner gefaxt werden soll, um bei diesen wegen Praktikumsplätzen für die Jugendlichen im Dorf anzufragen, die nächstes Jahr mit der Schule fertig sind. Das Schreiben hatte Wallner an einem der Computer aufgesetzt, die er dem neuen alleinigen Leiter der Firma Wallner & Wiget , Wiget, durch Anas Vermittlung letztes Jahr verbilligt abgekauft hatte, nachdem in der Firma auf eine speziell für Unternehmen im Wirtschaftssektor entwickelte Software umgestiegen und im Zuge dessen auch gleich die gesamte Hardware ausgewechselt worden war. Die anderen acht Computer stehen im Verwaltungsgebäude und in der Schule des Kinderdorfes, im Hobbyraum in Cham ein zehnter, der eigentlich für Costin vorgesehen war, von diesem aber, da er sich nur selten meldet und auch nicht seine Handynummer weitergegeben hat, geschweige denn auf Besuch kommt, nie abgeholt worden war. Das grüne Polster der Rückenlehne des Stuhls, den Wallner aus dem Eßzimmer in Cham bei seiner letzten Fahrt mitgenommen hatte, muß einen Abdruck auf seinem Rücken hinterlassen haben, Wallner spürt das.
Bei dem Treffen mit einem Vertreter des Verkehrsministeriums aus Port Harcourt und dem Leiter des Kinderdorfes im Verwaltungsgebäude möchte Wallner noch einmal den Ausbau der Straßen zum Dorf ansprechen. Er weiß, daß es sinnlos ist, dieses Thema anzusprechen, da seitens der Regierung ohnehin keine Gelder vorhanden sind. Aber zu irgendwas muß er doch gut sein hier. Ihm ist kurz schwarz vor Augen geworden. Es kann nicht sein, daß er die Hitze derart schlecht verträgt. So alt ist er noch nicht. Er muß das wegstecken können.
Er trägt ein weißes Hemd, das gerade frisch gebügelt aus der von den Kindern betriebenen Wäscherei des Dorfes gekommen ist. Es riecht nach Akazien.
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„Gestern haben wir noch einmal ein Gespräch mit jemandem vom Verkehrsministerium gehabt. Ein Arsch. Zuerst macht der die großen Versprechungen. Habe ich dir doch alles erzählt vorgestern. ‚Ich sehe kein Problem mit den Straßen. Ich organisiere die Gelder. Ich bin auf Ihrer Seite.‘ Was stellt sich heraus? Er hat überhaupt nicht die Befugnisse. Die Entscheidungsgewalt. Jetzt müssen wir wieder warten und betteln beim Ministerium, und dann sieht man weiter. Ja. Das war gestern. Und heute sitzen wir eigentlich den ganzen Tag schon an dieser Lehrer-Geschichte.“
„Dieser Lehrer-Geschichte?“
„Habe ich dir doch schon erzählt.“
„Hast du mir nicht schon einmal erzählt. Du erzählst mir nie was.“
„Bitte, Ana. Das ist doch jetzt egal. Ich habe jetzt wirklich nicht die Zeit, daß wir jetzt hier über so etwas reden. Ich muß auch gleich wieder rüber. Wir haben nicht genügend Lehrer, können nicht soviel zahlen wie sonstwo, die Lehrer müssen hier wohnen und so weiter und so weiter.“
„Weißt du, wie es mir geht?“
„Wie geht es dir?“
„Interessiert dich das? Spielt das
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