Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wallner beginnt zu fliegen (German Edition)

Wallner beginnt zu fliegen (German Edition)

Titel: Wallner beginnt zu fliegen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas von Steinaecker
Vom Netzwerk:
deren Gesichtszüge sich verhärtet haben und die Costins Unterarm festhält, leicht, sagt: „Das ist Herr Kauderer, er ist Anwalt und hilft mir jetzt mit den Sachen.“
    Herr Kauderer. Anwalt. Mamas verhärtetes Gesicht. Herr Kauderer sagt, es tue ihm leid, und schüttelt Costin die Hand, er verabschiede sich jetzt auch schon wieder, zu Ana gewandt, er melde sich dann bei ihr.
    Ana geht, bei Costin eingehängt, ohne etwas zu sagen, auf den Boden schauend, ins Wohnzimmer. Auf dem schwarzen Ledersofa sitzt ein großer brauner Hund. Der Hund hebt den Kopf, öffnet das Maul, hechelt. Costin beugt sich zu dem Golden Retriever oder Setter oder was auch immer und krault ihn zwischen den Ohren.
    Ana: „Benny“.
    Auf rumänisch fährt sie fort, daß sie doch diese Tierboutique gehabt habe. Die habe sie vor einem Jahr aufgegeben. Die Tiere, die sie noch gehabt habe, habe sie dann mitgenommen. Also zum Beispiel Benny, im Eßzimmer seien zwei Kanarienvögel und draußen treibe sich irgendwo der Peter herum, so ein schwarzer Kater.
    An dieser Stelle müßte Costin, der sich den Rotz von der Nase wischt, eigentlich etwas sagen, eine Entschuldigung zum Beispiel, warum er so lange nichts von sich hat hören lassen, oder eine Nachfrage, wie genau das jetzt passiert sei, mit dem Tata, Melanie meinte ja Schlaganfall, ein paar Tage Koma, und aus.
    Costin hat neben Benny Platz genommen. Ana setzt sich auf den Sessel gegenüber, Benny ist vom Sofa aufgesprungen und hat sich vor Anas Füße auf den Boden gelegt. Er beziehungsweise sie – Costin geht mal davon aus, daß es sich trotz des männlichen Namens um ein weibliches Tier handelt – hebt den Kopf, schaut auf eine Stelle im Wohnzimmer, spitzt die Ohren, hechelt, läßt den Kopf wieder sinken. Während Ana auf rumänisch erzählt, Herr Kauderer habe ihr gerade dabei geholfen, den Verkauf ihres Anteils von Wallner & Wiget in die Wege zu leiten – Verkauf von Wallner & Wiget ? Wie bitte? –, sie werde auch in absehbarer Zeit die Villa hier abstoßen – abstoßen? Schluck! –, es gebe bereits Interessenten, morgen sei ein Besichtigungstermin in der Früh, was solle sie noch in Cham, sie werde nach Bukarest ziehen – Arrrg! –, sie habe sich schon nach einer schönen Wohnung in der Innenstadt umgeschaut, hat sich Costin vorgestellt, wie es eigentlich wäre, wenn Benny ein Hunderoboter wäre und statt einer Rute einen überdimensionalen Schlüssel besäße, mit dem man ihn beziehungsweise sie aufziehen könnte, Benny würde zuerst schnell, dann immer langsamer eine Runde nach der anderen im Wohnzimmer drehen, oder, wie ein Kolben in einem Motor, den Kopf heben, senken, heben, senken, tatatatata, mit nachlassendem Tempo, bis die Feder in Bennys Innerem ihre Spannung verlöre.
    Costin hat die Schultern hochgezogen, die Arme erhoben und Ana auf deutsch gefragt: „Ja und wie ist das jetzt mit Tata gewesen, also wie genau, was hat sich da“, wobei ihm auffällt, daß diese Bewegung, die er gerade macht – Schultern hoch, Arme ausgestreckt, mit Händen einen Kreis beschreiben –, mit dem Bridge-Teil des PingPongs -Songs Flüsse und Seen übereinstimmt.
    Ana sagt auf rumänisch, daß er ja das alles nicht wisse. Sie haben sich ja schon wie lange?, ein halbes Jahr?, ein Jahr nicht mehr richtig gesprochen. Er sei ja nie zu erreichen gewesen.
    OK – jetzt kommt die Standpauke.
    Tata und sie haben sich ja in der letzten Zeit auseinandergelebt, sagt sie auf rumänisch. Er sei kaum mehr zu Hause gewesen. Sie sei viel gereist, vor allem nach Rumänien und in die benachbarten Regionen. Costin wisse ja nicht, wie die letzte Zeit gewesen sei mit ihr und Tata. Was mit Tata eigentlich los gewesen sei. Sie müsse Costin da mal was sagen.
    Costin hat gehustet, er hatte eigentlich nur so pseudo-husten wollen, um irgendwie die Anspannung zu lösen, und jetzt hustet er wirklich, plötzlich hat er Tränen in den Augen gehabt, weitergehustet, die Hände vors Gesicht gehalten, er weint.
    Er hat etwas an seinem Bein gespürt, zuerst hat er gedacht, es sei Benny, dann hat er aber gesehen, daß Ana vor ihm in die Hocke gegangen ist und über sein Knie streichelt, sie hat gesagt: „Aber, scumpul meu, ich weiß doch. Ja. Das ist jetzt alles zuviel. Ja? Jetzt leg dich vielleicht erst mal ein bißchen hin, hm?“
    Ana streichelt weiter über sein Knie und starrt ins Leere, auf einen Punkt im Wohnzimmer.
    Sie hat Costin ein Taschentuch gereicht. Während er sich schneuzt, sagt er auf deutsch, das sei alles

Weitere Kostenlose Bücher