Wallner beginnt zu fliegen (German Edition)
könnte, eine Tochter. Wenn sie größer wäre und studieren würde, vielleicht, würde sie ihr eigenes Ding machen, sie wäre bestimmt, mit ihm als Vater und Romy als Mutter, relativ dickköpfig, schwer zu händeln, aber eines jener Mädels, von denen alle Jungs träumen und vor denen sie auch ein bißchen Angst haben.
Costin (fortfahrend): „Ja, und dann hätten wir natürlich, da in unserem Haus, ne Katze. So eine grau-weiß gestreifte. Die würde dann Lily heißen. Die Katze würden wir dann so nennen. Lily.“
Romy (nach einer Pause, leise): „Bär?“
Costin: „Ja?“
Romy: „Du verläßt mich nicht, oder? Ich war mit so vielen Scheißtypen zusammen, ich bin immer verletzt worden, ich . . .“ (Pause) „Ich will nicht mehr verletzt werden.“
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Zur Begrüßung hat Lore Costin beziehungsweise Costin Lore neben die Wangen, rechts, links, in die Luft geküßt, und „Hallo, Costin, wie geht’s“ gesagt.
Dem Gast vor ihm, Oskar, auch bekannt unter dem ihm von der Presse gegebenen Spitznamen „Oskar mit Herz“, nachdem ihm, als erstem Deutschen, ein geklontes Herz eingesetzt worden war, gibt Costin die Hand.
Lores Haar ist eigentlich rot gefärbt. Costin kann aber jetzt im Scheinwerferlicht im Haaransatz einzelne weiße Haare ausmachen. Wo war denn hier die Maske, bitte?
Lore schaut auf ihre Stichwortkarte. „So, Costin, jetzt erzähl mal. Für unsere Zuschauer: Costin und ich kennen uns jetzt schon fast ein Leben lang und noch länger, nicht wahr, Costin?“
„Eine Ewigkeit“, bestätigt Costin.
Lore sagt: „Du warst CO, du warst – beinahe – der Almkönig, du warst Goebbels, du warst ein Saurier, und jetzt hast du eine Plattenfirma, ist das richtig?“
„Das ist richtig, Lore“, bestätigt Costin.
„ BIBO “ liest Lore ab. Sie schaut ihn an.
Schon bevor Costin aus der Kulisse gekommen ist, ist er etwas nervös gewesen, doch das war kein Vergleich zu jetzt. Erst als er sein Gesicht im Close-up auf einem der Monitore am Rand der Bühne sieht, wird er ruhiger. Er befeuchtet seine Lippen, wartet auf Lores Frage, lehnt sich zurück und faltet die Hände hinter dem Kopf.
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Romy: „. . . na, und stell dir das jetzt mal vor, meine Mama und mein Papa also auf diesem Campingplatz im Yellowstone-Park, und irgendwie kommt da nachts immer dieser Grizzlybär und frißt ihnen die Vorräte weg; also macht sich mein Vater daran, den Grizzly zu fangen, ohne Scheiß jetzt, so haben die mir das immer erzählt, also, mein Papa fährt los und kauft ’nen Köder, so Burger bei McDonald’s , na, und als er zurückkommt, ist meine Mama weg, keine Spur von ihr –: weil die Wehen eingesetzt haben und sie von ’nem Ranger ins nächste Krankenhaus gefahren worden ist; mein Papa jetzt denkt natürlich, der Grizzly, der hat jetzt die Mama aufgefressen, und ist total fertig. Mein Papa. Na, und was macht er, als er hört, daß meine Mama inzwischen mich zur Welt gebracht hat? Er geht weiter auf Jagd, damit die Mama sicher ist und sich nicht vor dem Grizzlybären fürchten muß, wenn sie mit mir zurückkommt, zum Campingplatz. So haben mir das meine Eltern immer erzählt, genauso, so als Gutenachtgeschichte, ich kann das alles noch auswendig, siehste ja, und bis ich fünf oder so war, habe ich das auch alles geglaubt, Kinder glauben so was ja immer, voll süß, oder? Aber, jetzt mal im Ernst: Ich bin wirklich in den USA geboren, soweit stimmt das Ganze, weil mein Papa da gerade an der Uni gearbeitet hat, so auslandsjahrtechnisch, und irgendwann waren meine Eltern wohl auch mal im Yellowstone-Park und haben da ’nen Bären gesehen. Ob das jetzt ’n Grizzly war, weiß ich auch nicht.“
Costin (der die ganze Zeit über, an die Decke schauend, gedankenverloren, mit dem Zeigefinger den Kreis von Romys nackter linker Brustwarze nachgefahren hat): „Bei mir gibt’s gar nichts Besonderes zu erzählen. Eine Kindheit in der Oberpfalz halt. Was soll es da zu erzählen geben? Cham halt.“
Romy: „Was ich mich schon immer gefragt habe, ist, also, wie deine Mutter eigentlich mit dem Ganzen klargekommen ist. Also, ihr habt da ja irgendwie in diesem Kaff gewohnt. Und sie dann noch als Rumänin. Also, eigentlich ja in der zweiten Generation, oder? Aber trotzdem. Ja, und dein Vater. Ich meine, ich kenn jetzt nicht die ganzen Stories, aber der war doch irgendwie total neurotisch und egoistisch, der Typ, jetzt no offense, ne, du hast mir ja selber erzählt, wie deine Mutter immer wegwollte und er immer nur diese
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