Walloth, Wilhelm: Das Schatzhaus des Königs. 1883
untereinander geworfen, ging er endlich, sich entschuldigend, er könne nicht zur Wahl kommen, die Blumen seien welk. Myrrah empfand Scheu vor seinen häßlichen Scherzen, vor seinen eigentümlich wilden Blicken; sie atmete auf, als er gegangen. Mit trübem Lächeln raffte sie ihre duftende Ware zusammen, den Heimweg zu suchen. Doch kaum hatte sie das Judenviertel betreten, so hörte sie Tritte hinter sich. Erschrocken blieb sie stehen. In der Dunkelheit gewahrte sie eine Gestalt, die auf sie zuschritt. Sie nahm allen ihren Mut zusammen und entfloh so hastig, als es ihre Müdigkeit und ihr Blumenkorb erlauben wollten. Sie hatte noch nicht ihr Haus erreicht, da fühlte sie sich von hinten um die Hüfte gefaßt; daß Menes nicht so keck sei, wußte sie; ein ihr fremder Mensch, den sie bis jetzt noch nicht erkennen konnte, schmiegte sich unter glühenden, wilden Liebkosungen und Gebärden, die ihr Ekel erregten, an sie. Der Schrecken schnürte ihr die Stimme im Halse fest, sie wagte nicht, sich umzusehen; als sie dies dennoch tat, erkannte sie ihren Blumenkäufer, den jungen Bogenschützen.
»Ich habe dich belauscht,« sagte er keuchend, »vergib mir, schöne Jüdin. Mein Gebein zerschmilzt in Liebe zu dir, erlaube, daß ich dich nach Hause geleite.«
»Laß mich meiner Wege gehen,« jammerte die Hilflose, »ich mag nicht mit dir verkehren; du weißt, wie strenge die Gesetze den bestrafen, der das tut, was du im Begriffe bist, zu tun. Hinweg!«
Der junge Ägypter hörte nicht auf ihre Drohung. Myrrah, ihrer nicht mehr mächtig, sank in die Knie, die Hände flehentlich zu dem vor Begierde Rasenden emporhebend. Dieser packte sie am Arm und schleifte sie nach sich, um sie in eine völlig finstere Querstraße zu zerren. Des Mädchens Sinne umwölkten sich, sie fühlte, wie der Wütende hastig versuchte, ihr den Mantel von den Gliedern zu reißen; in diesem Augenblick aber sah sie dicht neben sich den Blitz eines Stahles aufflammen. Ein ihr wohlbekannter Arm drängte sich zwischen sie und ihren Verfolger; ein Schrei schlug an ihr Ohr; Blutstropfen spritzten feuchtwarm über ihr Gesicht, und der unverschämte Lüstling lag stöhnend am Boden.
»Soweit,« schloß Rebekka ihren Bericht, »sah ich aus meinem Versteck die Szene sich abspielen; erratet Ihr, hohe Frau, wer der Retter des Mädchens war?«
»Glaubst du in der Tat, Menes habe dem jungen Ägypter seinen Raub entrissen?« frug die Witwe.
»Ich möchte darauf schwören,« entgegnete die Jüdin.
»Wie kann sich,« sagte Asso, »der Junge so sehr hinreißen lassen! Als wäre es die Tugend einer Jüdin wert, einen Ägypter darum zu töten. O ihr Götter! warum kam Menes nicht eine Viertelstunde später, er hätte ja alsdann noch immer Zeit gehabt, den Krieger zu töten, und Myrrah – meinetwegen – im Nil zu ertränken.«
»Die Liebesgöttin hat es anders beschlossen,« erwiderte Rebekka, nicht ohne einen Zornblitz im Auge, als sie in das kühle, lieblose Gesicht der Witwe schaute.
»Ich fand,« fuhr sie fort, »als ich später den Schauplatz des Vorfalls betrat, jenen Ring, den, wie Ihr selbst sagtet, Menes getragen. Ich konnte meine Neugier nicht zähmen; den beiden nachschleichend, sah ich, wie der junge Mann die wieder zu sich gekommene Myrrah unterstützte, bis sie fähig war, mit seiner Hilfe langsam weiter zu schreiten. Ich folgte dem Wege der beiden durch die Stadt, die Richtung desselben verlor ich jedoch bald. Er verschwand mit seiner süßen Begleiterin hinter einem Gebüsch und ich sah ihn nur noch einmal in der Nähe deines Gartens, Herrin, als er die sich sträubende Myrrah auf seinen Armen weitertrug. Ihr weißer Mantel schimmerte hell durch die Nacht; rasch floh er dahin und nur zu schnell war er meinen Blicken entschwunden.«
»Und du glaubst,« sagte Asso, »er hätte seine lebende Last hier in meinem Garten verborgen? Hältst du eine solche, an Tollheit grenzende Kühnheit für möglich?«
»Was ist dem Liebenden unmöglich?« lachte Rebekka. »Ein Liebender ist ein Wahnsinniger, weiß das meine schöne Herrin nicht aus Erfahrung? Bei Hofe, sollte ich denken –«
»Stille,« gebot Asso mit Würde, »bleibe ernst bei der ernsten Sache. Jedenfalls,« setzte sie dann dumpf hinzu, »ist deine Beobachtung eine Untersuchung wert – und wenn es sich herausstellt, daß – wenn Menes wirklich – wenn diese Jüdin unter meinem Dach! O! beim ewigen Sonnenglanz, ich will« – ihre Stimme verlor sich in unverständliches Wutgestammel. Sie ballte
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