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Walloth, Wilhelm: Das Schatzhaus des Königs. 1883

Walloth, Wilhelm: Das Schatzhaus des Königs. 1883

Titel: Walloth, Wilhelm: Das Schatzhaus des Königs. 1883 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walloth
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war sonst nicht deine Art,« sagte sie forschend.
    »So wird es dir zuliebe meine Art werden,« gab er gleichmütig zur Antwort.
    »Du bist heute aufgeweckt?« meinte sie.
    »Findest du?« lächelte er, »möglich! Die Luft ist heute so erfrischend, oder die Sonne strahlt heute heller. Ich weiß nicht! Gewiß, mir dünkt, die ganze Welt habe sich seit gestern verschönt, die Blumen duften süßer und die Götter, die ich wohl sonsthin grausame Tyrannen nannte, sind mir zärtliche Freunde geworden. Ja, liebe Mutter! sie haben ihre Welt doch lieblich eingerichtet, unsere Götter.«
    »Dein ganzes Innere scheint umgewandelt,« sagte die Mutter, »das ist mir sehr verdächtig.«
    »Verdächtig?«
    »Hast du mir nichts zu gestehen?«
    »Ich dir? Ja, gewiß, du hast recht! Ich habe – habe dir zu gestehen.«
    »Nun? Was? Sprich offen.« Ihre Augen hingen an seinen Zügen.
    »Daß ich mir gestern abend,« sagte er lächelnd, »einen Becher voll Wein aus Byblos durch deinen Haushofmeister reichen ließ.«
    Sie sah ihm verblüfft in das Gesicht.
    Darauf begann sie sich zu beschweren, daß er sie vernachlässige, fragte, wo er sich seither aufgehalten, wie er die Zeit verbracht; sie erhielt jedoch zur Antwort auf ihre vielen Fragen stets nur dasselbe gleichgültige Lächeln oder kurz hingeworfene Wortsplitter, mit welchen sie nichts anzufangen wußte. Auf die Frage, wie es mit seinen Studien stehe, antwortete er: das Wetter sei heute sehr schön! Als sie ihn über seine Geistesabwesenheit zur Rede stellte, meinte er, er sei noch nie so sehr bei sich selbst gewesen, wie heute. Sein Gemüt ist völlig verändert, dachte sie bei sich, indem sie ihren aufsteigenden Groll unterdrückte. Wohin kam sein verschlossenes, mürrisches Wesen? Wohin seine Beklommenheit mir gegenüber? Er respektiert mich kaum! Ihr Argwohn stieg, als Menes plötzlich, ohne jegliche Veranlassung, begeistert die Schönheit des sich ihm durchs Fenster zeigenden Gartens pries. Seine Mutter wollte seinem poetischen Ergusse Einhalt tun, er aber überhörte gänzlich ihre scharfen Dazwischenwürfe. Schließlich verlor sie gänzlich die Fassung; nach Worten ringend, ließ sie es geschehen, daß er – was bis dahin noch nie vorgekommen – einen Kuß auf ihre Hand drückte. Erstaunt sah sie, wie er hierauf langsam den Rückweg antrat, ihr beständig glückselig zunickend. Sie wollte ihn zurückrufen, aber ihre Verblüfftheit war zu groß, sie beschränkte sich darauf, den Kopf zu schütteln und zu schweigen. Kaum hatte Menes das Zimmer verlassen, so schlüpfte Rebekka aus ihrem Versteck hervor.
    »Nun, hohe Herrin,« begann sie lachend, »wer benimmt sich in dieser Weise? Habt Ihr ihn beobachtet? So benehmen sich nur Narren oder Verliebte! Und da Menes kein Narr ist – ich brauche die Folgerung nicht auszusprechen. Ihr habt Euch davon überzeugt, daß er vor Seligkeit kaum mehr weiß, ob er in Ägypten oder bereits in den Gefilden der Verstorbenen wandelt. Zeigt ihm eine häßliche Kröte, wie sie die Baalspriester in Phönizien verehren, und er wird sie für einen vom Himmel gefallenen Stern halten; haltet ihm übelriechenden Nilschlamm vor und er wird erklären, er röche Lilienöl, wie Ihr es in Euren Salbenschalen aufbewahrt. Die Welt ist ihm eine Rose, die er, wenn sie es verlangt, seiner Myrrah vor die Füße blättert. Ich kenne dergleichen Schwärmer, mein Gewerbe hat mich die Macht der Liebesgöttin ergründen lassen. Ja! man sollte es kaum glauben, daß ein schöner Arm, ein wohlgeformter Fuß einen Mann von Vernunft und Überlegung so völlig zum trunkenen Kind zu machen vermögen.«
    Asso warf sich in die Kissen ihres Lagers zurück, drückte stöhnend die geballten Fäuste vor die Stirne und rief unaufhörlich: »Es muß an den Tag, ich will es ergründen, und wenn es Wahrheit ist, was du vermutest, Jüdin, dann wehe ihm!«
    Die vornehme Dame hatte schon lange den Plan gehegt, sich, wenn ihr Sohn einst bei Hofe sein Glück mache, in den Strahlen seines Ranges zu sonnen. Er sollte der Schlüssel sein, der ihr die Prunkgemächer des königlichen Palastes öffnete, welche ihr seit dem Tode ihres Gatten verschlossen blieben. Ihr Herz schwoll auf beim Gedanken, daß ihr dereinst wieder, wie in ihren Jugendtagen, an der Tafel der Majestät zu speisen erlaubt sein sollte, daß sie es wieder hören könne, das Rauschen der Purpurvorhänge in den Vorsälen, daß sie ihn wieder einatme, den Duft der köstlichen Rauchwerke, die ihre veilchenblauen Wolken

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